Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
wie der Erzbischof sie angeklagt hatte, eine Hexe zu sein, und als Beweis ins Feld geführt hatte, dass sie Chassims Bein gerettet und ihn mit einem Zauber in sie verliebt gemacht habe, stocherte er wütend mit dem Schürhaken im Kamin herum, dass die Funken stoben, hörte aber weiter zu.
Chassim schilderte, wie er in der Nacht vor der Urteilsverkündung, als alles schon verloren schien, mit Anna und Berbelin durch den geheimen Gang unter Oppenheim hindurch geflüchtet war und dort auf Bruder Thomas und Annas Ziehvater traf, die Beweise dafür in Kloster Heisterbach gefunden hatten, wer Anna wirklich war – nämlich die totgeglaubte Nichte des Erzbischofs, eine von Hochstaden. Mit diesem Faustpfand war es ihnen gelungen, Konrad von Hochstaden zu zwingen, Anna von der Anklage freizusprechen und ihr zu gewähren, wieder als Medica arbeiten zu dürfen.
Claus von Greifenklau lehnte sich zurück, und ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, auf das Chassim sich zunächst keinen Reim machen konnte.
»Warum lachst du, Vater?«, fragte er irritiert.
»Das will ich dir sagen, mein lieber Junge«, grinste der Graf unverhohlen. »Dass Anna eine geborene von Hochstaden ist, ist ein Gottesgeschenk, das dir so manche Schwierigkeit, wenn nicht sogar Unmöglichkeit erspart.«
»Was meinst du damit?«
»Du weißt genau, wie ich das meine.«
»Ich liebe Anna, egal ob sie jetzt ein Bauernmädchen aus Ahrweiler oder eine geborene von Hochstaden ist.«
»Das ist ja schön und gut, und ich freue mich aus ganzem Herzen für dich. Aber kannst du dir vorstellen, was du für einen Sturm ausgelöst hättest, wenn du als Greifenklau ein einfaches Bauernmädchen gefreit hättest?«
Er winkte ab, als Chassim antworten wollte.
»Ich weiß schon, was du sagen willst. Du hättest sie auch genommen, wenn sie Nonne in einem Kloster gewesen wäre.«
Jetzt musste auch Chassim grinsen. »Woher weißt du das?«
»Weil du mein Fleisch und Blut bist. Bei deiner Mutter – Gott hab sie selig! – hätte ich genauso gehandelt. Da fällt mir ein – hast du Anna eigentlich schon gefragt, ob sie deine Frau werden will?«
»Ich hatte bis jetzt nicht die Gelegenheit dazu.«
»Wirst du sie fragen?«
»Es ist mein einziger Wunsch.«
»Dann will ich dir einen guten Rat geben: Warte den rechten Augenblick ab. In der Beziehung sind Frauen empfindlich. Und Anna scheint mir nach allem, was ich von ihr weiß, eine ganz besondere Frau zu sein.«
»Das ist sie in der Tat«, antwortete Chassim und starrte ernst und nachdenklich ins Feuer.
Claus von Greifenklau stand auf und streckte sich. »Ich bin müde und begebe mich jetzt in mein Schlafgemach. Du solltest dich auch ein wenig zur Ruhe begeben. Der Tag war lang und anstrengend.«
Chassim erhob sich ebenfalls. »Nicht nur der Tag, Vater, die ganzen letzten Wochen.«
»Es ist vorbei, Chassim, Gott sei’s gedankt und gepriesen.«
»Vorbei ja, Vater, aber nicht vergessen.«
Der alte Graf nickte und drückte seinen Sohn noch einmal an sich. Dann begaben sie sich nach oben in den ersten Stock zu den Schlafräumen.
Jeronimus löschte die brennenden Talglichter, er hatte genug gehört. Seine Herrschaften schöpften nicht den geringsten Verdacht, nie wären sie auf die Idee gekommen, dass unter ihrer loyalen Dienerschaft ein Spion des Erzbischofs sein Unwesen treiben könnte. Der alte und der junge Graf vertrauten ihren Leuten und hielten es für selbstverständlich, dass kein Wort von dem, über was sie sprachen, zur wohlfeilen Handelsware wurde, die sich gewinnbringend versilbern ließ. Jetzt machte auch Jeronimus, dass er auf sein Strohlager im Gesindehaus und zu seiner wohlverdienten Ruhe kam.
V
I n dieser Nacht bewunderte Konrad von Hochstaden, der wieder ganz der Alte war, im Schein Dutzender sündteurer Bienenwachskerzen das Holzmodell des zukünftigen Kölner Doms, das er sich von Meister Gerhard von Rile anfertigen und im Schlafgemach der Abtwohnung im Kloster Heisterbach hatte aufstellen lassen. Sanft strich er über die filigranen Zwillingstürme. Dabei wirkten seine Augen geradezu zärtlich und liebevoll, als würde ein staunendes Kind seine vom Vater handgeschnitzten Spielfiguren zum ersten Mal erblicken.
Dass seine Zeit auf Erden durch Gottes Ratschluss begrenzt war, dessen war er sich natürlich schmerzlich bewusst. Er hatte den Bau im zuständigen Gremium, dem Domkapitel, immer noch nicht durchsetzen können, schließlich waren die geschätzten Kosten
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