Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
war, dass er sein Knie nicht mehr beugen konnte, aber diese körperlichen Mängel machte er dadurch wett, dass er fortan alle anderen an Schläue und Durchtriebenheit übertraf. Wegen seiner gedrungenen Erscheinung und seinem einfachen Habit – er trug nur Schwarz – pflegte man ihn im Allgemeinen zu unterschätzen, aber dem Erzbischof war klar, welche Eigenschaften sich hinter der unscheinbaren Fassade verbargen, er hatte sie schließlich als Erster erfasst und gefördert: Intelligenz, Verschlagenheit, Verschwiegenheit, Loyalität und Ehrgeiz. Nicht ohne Grund hatte Konrad von Hochstaden Pater Severin nach und nach mit delikateren Aufgaben betreut und schließlich zu seiner rechten Hand gemacht. Seither hatte Pater Severin für seinen Herrn alle heiklen Aufträge ohne sie zu hinterfragen und ohne Zögern zu dessen vollster Zufriedenheit ausgeführt. Inzwischen war er so weit, dass er schon im Voraus ahnte, was der Erzbischof im Schilde führte, und überraschte ihn immer öfter damit, dass er bereits Kalamitäten aus dem Weg geräumt hatte, bevor der Erzbischof deren Erledigung in Auftrag gab. Konrad von Hochstaden verließ sich ganz auf ihn, seine Informationen und seine dunklen Machenschaften. Aber er nahm sich vor, ein besonderes Auge auf seinen Handlanger zu haben. Mit seinem Wissen und seiner Arglist konnte Pater Severin auch ihm eines Tages zur Bedrohung werden, sein tiefsitzender Hass auf andere Menschen war eine gefährliche Triebfeder.
»Dreierlei dürfte für Euch von Interesse sein, Euer Eminenz. Punkt eins: Dem Vogt ist es gelungen, Ritter Baldur von Veldern dingfest zu machen.«
Konrad von Hochstaden horchte auf. »Der vogelfreie Plackerer?«
»Jawohl. Unzählige Verstöße gegen den Landfrieden und Überfälle mit seinen Männern außerhalb und über ein Dutzend innerhalb Eures Bistums. Soviel mir bekannt ist, hat er …« Er zog ein Pergament aus seinen Unterlagen, die er stets mit sich zu führen pflegte, und las ab. »… mehr als zwanzig Menschenleben auf dem Gewissen; sofern man bei diesem Mann von einem Gewissen sprechen kann.« Ein maliziöses Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. »Kaufleute, freie Bürger, Bauern, Handwerker – bei seinen Opfern ist er nicht wählerisch, wenn es darum geht, Beute zu machen. Von Vergewaltigungen, gebrandschatzten Gehöften und geplünderten Dörfern ganz zu schweigen. Er ist jetzt seit über vier Jahren in Acht und Bann.«
Der Bischof winkte ab. »Das ist mir bekannt. Ihr sagtet ›dingfest gemacht‹ – also ist es dem Vogt gelungen, Ritter Baldur lebend in die Hände zu bekommen?«
»Jawohl, Eminenz.«
»Das überrascht mich. Wie hat er das fertiggebracht?«
»Er hat ihm, auf meinen bescheidenen Rat hin, eine Falle gestellt. Eine angeblich schlecht bewachte Wagenkolonne mit Handelsware. Einer meiner Vertrauensleute wurde bei seinen Männern eingeschleust und hat die Transportroute verraten. Ein Köder für den Raubfisch. Ritter Baldur konnte nicht widerstehen und hat angebissen. Nur dass in den von Planen bedeckten Wagen statt Handelsware die Männer des Vogtes waren. Die Hälfte der Bande wurde niedergestreckt, die andere hat sich ergeben. Ritter Baldur wurde verwundet, aber er wird es überleben. Er wartet im Verlies des bischöflichen Palastes auf Euer Urteil. Mit seinen Männern hat der Vogt kurzen Prozess gemacht. Ihr Urteil wird in einer Woche vollstreckt. Die Galgen sind schon aufgebaut, es wird ein wahres Volksfest geben. Die Leute strömen von weit her herbei. Ein Dutzend baumelnde Galgenvögel will sich niemand entgehen lassen.«
Der Erzbischof nickte zufrieden. »Gute Arbeit, Pater Severin. Aber verschiebt die Hinrichtung. Ich will vorher noch mit Ritter Baldur sprechen.«
Bei Pater Severin hob sich eine Augenbraue. Das einzige Zeichen für eine angedeutete Missbilligung, das er sich erlaubte. »Das Volk wird murren, wenn es sein Schauspiel nicht bekommt, Euer Eminenz.«
Der Erzbischof zögerte. »Da könntet Ihr recht haben. Dann will ich dem Volk geben, was es verlangt. Die Hinrichtungen sollen stattfinden. Aber Ritter Baldur lasst vorläufig am Leben. Er soll den Hinrichtungen jedoch zusehen müssen.«
»Wollt Ihr für ihn eine peinliche Befragung anordnen?«
»Bereitet alles dafür vor. Ich werde ihr beiwohnen.«
Pater Severin deutete eine Verbeugung an. »Ganz wie Ihr wünscht, Eminenz. Dann wäre da noch Punkt zwei auf meiner Liste. Sie betrifft eine kaiserliche Anordnung.«
Diesmal war der Erzbischof wirklich
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