Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
mit einem Ausdruck der wahrhaftigen Fassungslosigkeit.
»Lasst gut sein, Majestät. Ihr könnt es ja dieser blonden Mähre schenken, die auf dem Boden herumstampft, anstatt zu tanzen.«
»Ich weiß beim besten Willen nicht, wovon Ihr sprecht!«, versuchte der König vergebens sich zu verteidigen.
»Oh, ich habe genau gesehen, wie Ihr Adelheid von Meinfeld mit Euren Blicken beim Tanz verschlungen habt. Für eine Mätresse bin ich mir zu schade. Majestät, ich darf mich empfehlen.«
Sie wollte schon gehen, aber die Medica hielt sie am Arm fest. »Nein, du bleibst hier!«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Ihr, verehrtes Fräulein Elisabeth, wartet hier auf mich und bewegt Euch nicht von der Stelle! Ich schulde Euch eine Erklärung, und Ihr werdet sie bekommen. Und glaubt mir, Ihr werdet dann diese Angelegenheit in einem ganz anderen Licht sehen. Euer Misstrauen ist vollkommen unangebracht.«
Jetzt brach Elisabeth in Tränen aus. »Ich habe doch Augen und Ohren. Warum sollte ich jetzt auf Euch hören?«, schluchzte sie vollkommen aufgelöst. »Sagt mir – warum?«
Anna antwortete ganz ruhig, aber bestimmt: »Weil dieser junge Mann vor Euch nicht derjenige ist, von dem Ihr das Gedicht zugeeignet bekommen habt. Darum.«
»Was? Wer seid Ihr dann, wenn nicht der König?«, fragte Elisabeth konsterniert.
»Ich bin Ambros, der Hütejunge«, antwortete der Junge in des Königs Kleidern, den alle, auch Pater Severin, jenseits allen Zweifels für den König angesehen hatten.
»Genug jetzt!«, gebot die Medica forsch.
»Elisabeth – bist du da oben?«, dröhnte eine männliche Stimme plötzlich von unten durch das ganze Treppenhaus herauf. Pater Severin zuckte erschrocken zusammen, er kannte sie – es war die Stimme von Herzog Otto, Elisabeths Vater. Die Medica schob den Jungen, der vorgab, der König zu sein, weg und ging, nachdem sie schnell noch das Pergament an sich genommen hatte, mit Elisabeth untergehakt zur Treppe. »Ja, Euer Gnaden«, rief sie in den Treppenturm, »wir sind hier. Bemüht Euch nicht, wir kommen zu Euch herunter.« Nebenbei wischte sie Elisabeth mit ihrem Ärmel noch schnell die Tränen weg.
Gerade noch rechtzeitig konnte sich Pater Severin in den Schatten der Säule verdrücken, da kamen die Medica und Elisabeth schon Arm in Arm die Treppen heruntergeeilt. Er wartete, bis ihre Schritte verklungen waren, dann sah er zu, dass er verschwand.
Er hatte genug gesehen.
Und vor allem hatte er genug gehört.
VIII
D ie Glocken der Kirchtürme in Oppenheim schlugen zwölf Mal. Mitternacht. Konrad von Hochstaden wartete in der Burgkapelle auf seine Nichte Anna von Hochstaden.
Anna hatte Chassims Bedenken wegen eines Treffens zerstreut, er war besorgt um ihre Sicherheit, dem Erzbischof traute er jede Schandtat zu, vor allem dann, wenn er auf der Verliererseite stand. Anna glaubte das nicht. Ihr Onkel hatte es stets anderen überlassen, sich die Hände schmutzig zu machen. Wenn sich Chassim um ihre Sicherheit sorgte, könnten er und Bruder Thomas ja auf der Empore der Burgkapelle Zeuge ihres Treffens sein, sie wollte die Kapelle sowieso über den gräflichen Zugang zur Empore betreten. Unter diesen Umständen erklärte sich Chassim damit einverstanden, zumal ihm Anna versicherte, dass sie beim geringsten Anzeichen dafür, dass der Erzbischof sie nur zu diesem Treffpunkt bestellt hatte, um sie zu beschimpfen oder zu bedrohen, ihrem Onkel sofort den Rücken kehren wollte.
Ambros war inzwischen völlig übermüdet auf dem Lager von Bruder Thomas eingeschlafen, gerade dass er noch mit Hilfe des Kammerdieners aus den königlichen Gewändern geschlüpft war. Die Angelegenheit mit Elisabeth hatte Anna mit weiblichem Einfühlungsvermögen und der Wahrheit über Konrad IV . wieder in Ordnung gebracht. Elisabeth hatte ihr versprechen müssen, nicht einmal ihren Eltern zu erzählen, was sie über den wahren König und die Rolle von Ambros in aller Kürze erfahren hatte. Dem besorgten Vater gegenüber hatte Elisabeth ihre Aufgelöstheit auf Annas hilfreichen Ratschlag damit hinreichend begründet, vor Aufregung über den nächsten Tag mit ihrer sonstigen Gelassenheit am Ende gewesen zu sein und Hilfe und Verständnis bei der Medica gesucht und gefunden zu haben. Im Grunde genommen war sie ein vernünftiges Mädchen, fand Anna, die eine schwesterliche Zuneigung zu Elisabeth verspürte. Sie war bis über beide Ohren verliebt und hatte deshalb beinahe ihre anerzogene Fassung verloren,
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