Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
hinzu, der wie Anna immer wieder unauffällig auf Elisabeth sah, die bisher mitgetanzt, aber nun ebenfalls eine Pause an der Seite ihrer Eltern eingelegt hatte. Sie atmete heftig und ihr Gesicht glühte, aber, wie es Anna schien, weniger aus Eifer, vielmehr aus Eifersucht. Und sie hatte allen Grund dazu.
Ambros umtänzelte die blonde Schönheit namens Adelheid immer unverfrorener. Aber wer konnte ihm einen Vorwurf machen? Der gute Ambros wusste ja nichts von der Absicht, den König mit Elisabeth von Bayern zu verloben. Doch nun war sich Anna mit Chassim einig, als sich ihre Blicke trafen. Es war höchste Zeit, dem Tanzvergnügen von Ambros ein Ende zu setzen, bevor es noch zu einem Skandal kam – wenn sie Elisabeths Zornfalten in ihrem hübschen Gesicht und ihre dunklen Augen richtig deuteten, konnte es nicht mehr lange dauern, und Elisabeth würde aufstehen und vor aller Welt erklären, dass sie mit Konrad IV . nichts mehr zu tun haben wollte. Zwar war sie bestimmt dazu erzogen, ohne Widerrede das zu tun, was Eltern und Stand von ihr verlangten, selbst eine Ehe mit einem dreißig Jahre älteren Mann. Aber in diesem Fall, so wusste Anna von Bruder Thomas, der beim König in dessen Gemächern weilte, gab es zarte Bande zwischen Konrad IV . und Elisabeth, das bewies das Geschenk des Königs, ein Minnegedicht des berühmten Barden Walther von der Vogelweide. Elisabeth, die den wahren König nur aus der Ferne ein- oder zweimal gesehen und einmal, ein Jahr zuvor, kurz mit ihm getanzt hatte, konnte ja nicht ahnen, warum Ambros, den sie für den König halten musste, sie schlichtweg nicht beachtete. Vielleicht hatte sie auch mit ihm beim Tanz gesprochen, und er hatte falsch oder überhaupt nicht reagiert. Jedenfalls musste Anna dafür sorgen, dass Ambros schleunigst das Feld räumte, bevor der Schaden überhaupt nicht mehr gutzumachen war. Und unauffällig musste sie obendrein vorgehen, schließlich konnte sie den Königsstellvertreter nicht vor aller Augen von der Tanzfläche zerren.
Ein interessierter Beobachter, der niemandem weiter aufgefallen war, weil er sich strikt abseits hielt, war inzwischen im Festsaal aufgetaucht und versuchte aus den Geschehnissen seine Schlüsse zu ziehen. Es war Pater Severin, der den richtigen Moment abpassen wollte, um mit der Medica zu reden. Der Erzbischof samt Gefolge war, der unbedingten und hinreichenden Höflichkeit geschuldet, nur zu Beginn der Festlichkeiten anwesend. Schon bald hatte er sich, ebenso wie seine Anhänger, still und leise absentiert und in seine Räumlichkeiten zurückgezogen. Aber sein Adlatus Pater Severin hatte die Stellung gehalten, der Schatten seines Herrn hatte schließlich noch einen Auftrag zu erledigen. Er fand, dies sei der richtige Zeitpunkt, schlängelte sich durch die Sitzbankreihen hindurch und gelangte hinter die Medica, wo er sich zu ihr herunterbeugte und ihr ins Ohr zischelte. »Euer Gnaden, ich darf mir gestatten, mich vorzustellen. Ich bin Pater Severin. Im Namen meines Dienstherrn, Seiner Eminenz Konrad von Hochstaden, darf ich Euch ausrichten, dass der Erzbischof Euch höflich bittet, ihm eine Unterredung zu gewähren.«
Anna drehte sich überrascht zu Pater Severin um und sah in dessen unergründliche dunkle Augen. Chassim, der daneben saß und sehr genau zuhörte, tat so, als sei sein ganzes Interesse auf die Tanzdarbietungen gerichtet.
Anna ließ sich diese unerwartete Einladung erst durch den Kopf gehen. »Der Erzbischof? Mein Onkel will mich sprechen? Warum schickt er dann Euch und nicht seine Soldaten? Normalerweise bittet und bettelt er doch nicht, sondern befiehlt oder lässt verhaften.«
Pater Severin lächelte maliziös. »Bei allem Verständnis für Eure Vorbehalte, Euer Gnaden, aber wir sind hier auf einem königlichen Hoftag. Seine Eminenz rechnet auf Euer wohlwollendes Entgegenkommen, er ist nicht darauf aus, irgendjemandem zu drohen. Es ist eher eine Art … Friedensangebot.«
»So? Das wäre mir neu. Was will er von mir?«
»Nichts als reden. Von Onkel zu Nichte.«
»Verwandtschaftliche Bande haben ihn nicht davon abgehalten, sein eigen Fleisch und Blut der Ketzerei anzuklagen. Und jetzt will er auf einmal nur reden?«
»Ja. Er bittet Euch in aller Demut darum.«
»Na gut. Wann und wo?«
»Ist Euch um Mitternacht recht? In der Burgkapelle?«
Anna überlegte und sah Chassim fragend an. Der rümpfte die Nase und schüttelte leicht den Kopf.
»Na gut«, sagte Anna entschlossen. »Ihr könnt ihm ausrichten, dass ich
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