Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Thomas packte die Suche mit seinem Sinn fürs Praktische an, indem er Anna am Ärmel zupfte und sie auf einen Jungen mit Schläfenlocken, Hut und Kaftan aufmerksam machte, der eiligen Schrittes mit einem dicken Folianten unter dem Arm an ihnen vorbeikam. Sie folgten ihm, und er führte sie geradewegs eine Gasse entlang, in der die Maler und Schildermacher ansässig waren, und durch ein Tor ins Judenviertel. Bruder Thomas fragte einen streng aussehenden Mann in schwarzem Kaftan und mit Silberbart, der ihnen die Richtung wies. Die Unter Goldschmied entlang und dann links ab, dann waren sie schon im eng bebauten Jerusalemsgässchen. Dort fragte Bruder Thomas eine Gruppe heftig debattierender Männer nach Jakob Ben Ascher und wurde an ein Haus schräg gegenüber verwiesen, das einen wohlhabenden Eindruck machte.
Bruder Thomas klopfte an die Tür, wartete, und klopfte heftiger, als sich nichts tat. Die Tür wurde einen Spaltbreit aufgerissen, und eine alte Frau beäugte die beiden Mönche misstrauisch. »Ja?«
Bruder Thomas gab sich betont höflich, er deutete auf Anna. »Wir sind auf der Suche nach dem ehrwürdigen Jakob Ben Ascher. Mein Name ist Bruder Thomas, und das ist Bruder Marian.«
»Um was geht es?«
»Es geht um etwas Geschäftliches.«
»Er ist im Hospital«, sagte die Frau, nachdem sie die beiden Mönche ausführlich von oben bis unten gemustert hatte, die Tür aber nicht weiter öffnete.
Bruder Thomas blieb bei seinem verbindlichen Ton. »Und wo ist das, gute Frau?«
»Hinter der Synagoge«, sagte sie kurz angebunden und deutete in die Richtung, bevor sie ihnen die Tür wieder vor der Nase zuschlug.
Bruder Thomas und Bruder Marian gingen um das Haus herum zur Synagoge, an der ein schmales Gässchen entlangführte. Sie kamen an einen Eingang, dessen Flügeltüren sperrangelweit offen standen. Innen war der Gang von Kerzen erleuchtet, Bruder Thomas und Anna traten ein und sahen sich um. An der Seite war fein säuberlich Brennholz aufgeschichtet. Davor kniete ein schlaksiger Junge mit einem spärlichen Bart, Schläfenlocken und Hut, der Holzscheite in einen Korb legte und sie neugierig ansah.
»Wir suchen Jakob Ben Ascher«, sagte Bruder Thomas.
Der Junge, der mitten im Stimmbruch war, antwortete kieksend: »Immer der Nase nach!« und wies mit einem Scheit auf eine offenstehende Tür, aus der Qualm und ein seltsam stechender Geruch drang, der Anna an die Zubereitung von Aqua vitae im Haus des Medicus in Oppenheim erinnerte. Dieser Geruch war durchdringend scharf und doch rein, er war einzigartig und unverkennbar. Als sie den Raum betraten, erblickten sie ein riesiges Konstrukt aus Metallröhren und Kesseln, aus denen es dampfte und zischte. Ein kleiner, dicker Mann beugte sich über die Destillationsapparatur und kehrte ihnen den Rücken zu. Er drehte an einem Hebel und warf Holzscheite durch eine geöffnete Luke in einen Kessel, in dem Feuer loderte. Er trug eine Kippa mit breiter Pelzverbrämung und eine Lederschürze über seinem Kaftan, dessen Ärmel er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte. Bruder Thomas wollte ihn mit seinem Auftritt nicht erschrecken und klopfte laut und überdeutlich gegen die offene Holztür, so dass der Mann sich umdrehte und sich aufrichtete. Er hatte die Augen zusammengekniffen, als ob er auf die Ferne nicht mehr gut sehen konnte, trug einen langen Bart und Schläfenlocken und putzte sich bei ihrem Anblick das verschwitzte Gesicht und die Hände mit einem Tuch ab, bevor er damit den heißen Riegel der Luke schloss, ohne sich die Finger zu verbrennen. Dann wandte er sich ihnen wieder zu. »Was suchen zwei Mönche bei einem Jud wie mir? Wollt Ihr ins Hospital? Ich habe einen christlichen Patienten … Oder fehlt Euch selbst etwas?«
»Weder das eine noch das andere«, antwortete Bruder Thomas. »Verzeiht, dass wir einfach so unangemeldet bei Euch eindringen. Ich bin Bruder Thomas, und das ist Bruder Marian. Wir sind auf der Suche nach Jakob Ben Ascher.«
»Ihr habt ihn gefunden«, sagte der kleine dicke Mann, zog einen kleinen Schieber an einer Röhre auf und ließ stechend scharf riechenden Dampf ab, bevor er sich erneut seinen Besuchern widmete. »Was kann ich für Euch tun?«
Bruder Thomas musste husten, bevor er antwortete. »Ihr wurdet uns empfohlen. Von einem Freund, der Euch gut kannte.«
»So?«, fragte Jakob Ben Ascher immer noch misstrauisch, obwohl er sich heimlich darüber lustig zu machen schien, dass die zwei Mönche den heißen Dampf aus seiner
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