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Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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den Kopf.
    Bruder Thomas flüsterte jetzt, obwohl meilenweit keine Menschenseele zu sehen war außer dem kleinen Mönch neben ihm, der sich immer noch nicht rührte. Allmählich waren Jeronimus die beiden Kuttenträger unheimlich.
    »Also: Regel Nummer eins. Wenn dich jemand fragt … Das hier neben mir ist Bruder Marian. Er stammt aus dem Kloster Weingarten weit im Süden des Reiches.«
    Der kleine Mönch wandte sich nun zum ersten Mal Jeronimus zu, und der erkannte zu seiner großen Verwunderung, dass das absichtlich verschmutzte Gesicht, das unter der riesigen Kapuze so schmal und knabenhaft wirkte, das Antlitz von Anna von Hochstaden war, der Zukünftigen des jungen Grafen, seines Brotherrn. Vor Überraschung blieb ihm der Mund offen stehen.
    Bruder Thomas redete unbeirrt weiter auf Jeronimus ein. »Regel Nummer zwei: Wir sind Bettelmönche. Du hast uns unterwegs aufgelesen, wir pilgern nach Köln, um dort Buße zu tun für die Sünden der Menschheit. Das ist alles, mehr brauchst du nicht zu wissen. Hast du das verstanden?«
    Jeronimus hatte überhaupt nichts verstanden, aber er nickte folgsam.
    »Dann ist es ja gut. Worauf wartest du dann noch? Fahr zu, wir haben noch einen weiten Weg vor uns.« Bruder Thomas schnalzte mit den Zügeln, die er immer noch in der Hand hatte, und die Pferde setzten sich in Bewegung. Er reichte Jeronimus wieder die Zügel, bevor er zufrieden die Hände in die weiten Ärmel seiner Kutte steckte, dem Knochenhauer einen freundschaftlichen Rippenstoß mit dem Ellenbogen versetzte und anfing, laut zu singen. Anna von Hochstaden, oder besser Bruder Marian, fiel mit ihrer hellen, mädchenhaften Stimme ein. Irgendetwas Lateinisches, Jeronimus verstand den Text nicht, aber in ihm arbeitete es. Was bezweckte die Gräfin mit dieser Maskerade? So sehr er sich den Kopf darüber zerbrach, es fiel ihm kein Grund ein. Er wusste nur, dass es grundsätzlich gefährlich war für eine hohe Dame, ohne einen Trupp Soldaten als Begleitschutz so eine weite Reise zu unternehmen. Oder steckte da womöglich etwas anderes dahinter?
    Da stahl sich auf einmal ein Gedanke in sein Hirn, der ihm eine Gänsehaut bescherte. Hatte das Schicksal ihm mit seinen zwei Begleitern nicht gerade einen außerordentlichen Glücksfall auf dem Präsentierteller serviert? Er wusste nun über ein Geheimnis Bescheid, welches ihm Pater Severin, die rechte Hand des Erzbischofs, geradezu vergolden musste …
    Plötzlich spürte er die beißende Kälte nicht mehr, so heiß durchflutete es ihn. Er durfte sich nur nichts anmerken lassen, dieser Mönch neben ihm schien mit allen Wassern gewaschen zu sein.
    »Hüah, hüah!«, schrie Jeronimus und trieb die Pferde an. Er konnte es auf einmal gar nicht mehr erwarten, nach Köln zu kommen.

IV
    D er Knochenhauer Jeronimus kannte sich ganz gut aus in dieser großen Stadt, die Köln genannt wurde, schließlich war er nicht zum ersten Mal hier. Es hieß, dass sie über 30 000  Einwohner hatte, eine Zahl, deren Größenordnung er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte. Aber jedes Mal staunte er darüber, wie viele Menschen dort lebten und arbeiteten. Er war auch schon oft in Wetzlar gewesen, auf Burg Greifenklau brüstete er sich gern damit, was für ein weit gereister Mann er war, die herkömmliche Dienerschaft, zumal die weibliche, war noch nie weiter als bis zum nächsten Dorf gekommen. Aber Wetzlar war nichts im Vergleich zu Köln, wo er stundenlang mit großen Augen herumlaufen und das Durcheinander der vielen Menschen, die eng aneinanderstehenden mehrstöckigen Häuser mit ihren Spitzgiebeln und das Gewirr der Straßen, Gassen und Plätze bestaunen konnte. Es ging zu wie in einem Bienenstock. Überall wimmelte es von Menschen, die sich im Weg standen, drängten, drückten, schubsten, alle schienen ständig unterwegs zu sein, seltsam zielgerichtet und geschäftig, einer rätselhaften Form von höherer Ordnung folgend. Pferdefuhrwerke und Ochsengespanne versperrten sich gegenseitig den Weg in den engen verwinkelten Gassen, wo sich an den Ecken Abfallhaufen türmten, es stank nach Aas und Abwasser, in den vielen unbefestigten Straßen, in denen keine Bohlen ausgelegt waren, watete man bisweilen bis zu den Knöcheln im Morast. Dafür bekam man in dieser Stadt fast alles, was man sich vorstellen konnte, und auch einiges, von dem man noch nie gehört hatte. Für jeden Bedarf wurden Waren und Dienstleistungen angeboten, es gab feinstes Tuch aus Flandern, Wein aus heimischen Landen und

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