Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
größten Teil Bruder Thomas frenetisch anfeuernde Publikum schon damit rechnete, dass der Mönch nun das Nachsehen hatte und jetzt eine fürchterliche Tracht Prügel einstecken würde, griff völlig unvermutet Anna in Gestalt des kleinen Mönchs in das Geschehen ein. Und nicht etwa zaghaft oder mit beschwichtigenden Gesten und Worten, sondern ohne das geringste Zögern mit vollem Risiko und absolut rücksichtslos. Sie trat dem auf dem Rücken von Bruder Thomas knienden Anselm, der gnadenlos und blind vor Wut und Schmerz auf den am Boden liegenden Mönch eindrosch, mit dem rechten Fuß gegen den Schädel, als wäre es der ausgestopfte Strohsackkopf einer Vogelscheuche. Anselm plumpste zur Seite, da bekam auch schon Linhard, der aus seinem Stiefel ein Messer gezogen hatte, sein Fett ab. Bevor er begriff, was geschah, hatte Anna die erhobene Messerhand gepackt, drehte sich einmal um ihre Achse ohne loszulassen und renkte Linhard dabei den Arm mit einem hässlichen Knirschen aus, das für jedermann in der Schenke vernehmbar war. Linhard stieß einen schrillen Schrei aus, das Messer fiel scheppernd auf den Boden.
Anna machte drei Schritte zurück. Bei der ganzen Aktion, die so schnell vorbei war, dass die Umstehenden ihr kaum mit den Augen folgen konnten, war ihre Kapuze ein wenig verrutscht, die sie nun wieder ins Gesicht zog. Bruder Thomas erhob sich schwerfällig, aber bis auf ein paar Schürfwunden und blaue Flecken war er unverletzt. Jetzt kam der Wirt mit seinem Prügel und setzte seine ganze Autorität ein, indem er Anselm und Linhard, der jammernd seinen ausgerenkten Arm umklammerte, anbrüllte. »Ihr verlasst sofort meine Schenke! Schaut, dass ihr wegkommt! Los, haut ab!« Die Bauern stellten sich an seine Seite, ein Tritt gegen Anselms Rippen verlieh den Worten des Wirts Nachdruck und brachte den stöhnenden Anselm wieder zur Besinnung. »Na los, macht schon, verzieht euch. Und ich will euch davonreiten sehen, geht schon!«
Mühsam rappelte sich Anselm auf, Linhard stützte ihn halb, und zusammen schleppten sie sich angesichts der drohenden und bedrohlichen Übermacht kleinlaut zum Hinterausgang hinaus, die Meute folgte ihnen. Jeronimus hatte sich ihnen angeschlossen, er hielt es für das Beste, wenigstens jetzt so zu tun, als würde er nicht tatenlos zusehen.
Erst als die Tür hinter ihm zufiel, merkten Anna und Bruder Thomas, dass sie allein in der Schenke waren. Anna untersuchte besorgt den lädierten Kopf des Mönchs, aber Bruder Thomas brummte nur: »Lass nur. Das wird schon wieder.« Aber als Anna seinen Wangenknochen berührte, stöhnte er auf, ging um den Schanktisch herum und steckte seinen Schädel kurz entschlossen in einen großen Wassereimer, der neben dem Bierfass stand. Prustend tauchte er wieder auf und schüttelte den Kopf, dabei strahlte er übers ganze Gesicht. »Den Feiglingen haben wir’s aber gezeigt, was?!« Dann lachte er dröhnend. So wohl hatte er sich trotz der zahlreichen Schläge, die er abbekommen hatte, schon lange nicht mehr gefühlt. Er sah gerade noch, wie Anna das Bier aus ihrem Humpen ins Feuer schüttete und den seinen mit dem von Jeronimus austauschte. »Was machst du da?«, fragte er erstaunt, aber Anna antwortete nicht, spülte ihren Humpen im Wassereimer gründlich aus, zapfte frisches Bier, setzte sich damit an ihren Platz und sah Bruder Thomas betont unschuldig an, der langsam näher kam und sich mit seinem weiten Ärmel das Gesicht abtrocknete. Anna schob ihm auffordernd den ausgetauschten Humpen hin. »Komm her und trink. Du hast es dir verdient.« Mit einem misstrauischen Blick setzte er sich an seinen alten Platz und sah den Humpen von Jeronimus an, dann wieder Anna. Er wusste nicht, warum sie das getan hatte, aber er vertraute ihr voll und ganz, setzte den Humpen an und trank ihn in einem Zug aus. Auch Anna trank mit großen, kräftigen Schlucken.
Genau in diesem Augenblick kam Jeronimus wieder herein, sah Anna und Bruder Thomas trinken und nahm an, dass sein Plan aufgegangen war. Zufrieden setzte er sich zu ihnen. »Die zwei sind weggeritten. Die sind wir los!«, meldete er, als hätte er den Löwenanteil an der Vertreibung der Raufbolde geleistet.
Nach und nach kamen auch die anderen und der Wirt wieder in die Gaststube. Der Wirt stellte sich zu ihnen an den Tisch. »Was wollten die von Euch? Habt Ihr die gekannt?«
Bruder Thomas schüttelte den Kopf. »Glaubt Ihr tatsächlich, wir kennen solche Schwachköpfe? Die waren auf Streit aus, aber bei uns sind
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