Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
hinzu.
»Außerdem«, und nun lächelte der Graf, »wird Elisabeth dem König bestimmt auch so zusagen, abseits allen politischen Kalküls. Sie ist eine überaus reizende, kluge Person in seinem Alter.«
»Ist sie hier?«, wollte Bruder Thomas neugierig wissen.
»Ja. Aber der König war in so einem schwachen Zustand, dass er bisher nicht in der Lage war, an den Empfängen teilzunehmen und ihr seine Aufwartung zu machen.«
Anna erhob sich. »Dann wird es Zeit, dass wir uns seiner annehmen. War er schon krank, als er ankam?«
»Ja, da ging es ihm bereits sehr schlecht. Er hatte sich, so wurde mir berichtet, schon seit Wochen nicht gut gefühlt und sich ständig übergeben, klagte über Leibschmerzen und Kopfweh. Ich bin erschrocken, als ich ihn gesehen habe. Er ist sowieso von der Gestalt her noch ein Kind, aber jetzt … Doch seht ihn Euch selbst an.«
Auch er stand auf und wies zur Tür. Anna hielt ihn am Oberarm fest. »Nur eines noch, Graf – Ihr habt mir von Lea geschrieben. Was ist mit ihr geschehen?«
Er schüttelte betrübt den Kopf. »Das wilde Tier – es war ein schönes Geschöpf Gottes. Aber als es hier ankam, lag es schon halbtot in seinem Käfig. Es wollte weder fressen noch saufen. Ich glaube, sein erbarmungswürdiger Zustand ist dem jungen König sehr ans Herz gegangen und hat sein Leiden noch verschlimmert. Als Lea schließlich einging, hat er sich auf sein Zimmer zurückgezogen und außer seinem Kammerdiener und seinem Leibmedicus niemanden mehr zu sich gelassen. Obwohl es ihm selber schlechtging.«
»Er hat Lea geliebt. Sie war ein Geschenk seines Vaters«, sagte Anna mit trauriger Stimme. Es tat ihr leid um das Tier. Aber noch mehr bedauerte sie den jungen Konrad, für den sie schon seit ihrer ersten Begegnung so etwas wie mütterliche Sorge empfunden hatte, obwohl sie nur drei oder vier Jahre älter war als er. Aber da sie wusste, dass er wegen seines Vaters und seiner angreifbaren Stellung von einer Welt aus Feinden umgeben war und jederzeit damit rechnen musste, dass ihm jemand ans Leder wollte, dauerte er sie unendlich.
»Ich weiß«, sagte Graf Georg bedrückt. »Er hat es bis heute nicht gewagt, seinem Vater vom Tod des Tieres eine Nachricht zukommen zu lassen.«
»Ich muss ihn jetzt sehen. Mit mir wird er sprechen«, sagte Anna entschlossen, nahm ihren Ranzen und ging auf den Gang hinaus.
Dort stieß sie beinahe mit einem eiligen jungen Mann zusammen, der mit einer schwarzen Tunika mit dem königlichen Wappen gekleidet war, kurzgeschorene Haare hatte und eine Schüssel mit einer schwappenden Flüssigkeit vor sich hertrug: Blut. Angesichts des Grafen hielt er an, der Graf stellte ihn vor. »Das ist Ewalt, der Kammerdiener des Königs.«
Anna hatte sofort den Inhalt der Schüssel in Augenschein genommen. »Was habt Ihr da?«
Ewalt trug die Nase hoch, er hatte eine privilegierte Stellung und verkörperte dies auch. Dementsprechend antwortete er mit einer Wichtigkeit, als ob er flüssiges Gold in der Schüssel hätte: »Das Blut des Königs. Sein Leibmedicus hat ihn eben zur Ader gelassen.«
Anna tauschte mit Bruder Thomas einen kurzen Blick aus. »Wie oft macht er das?«, wollte sie wissen.
»Jeden Tag. So lange, bis eine Besserung eintritt.«
»Sagt der Leibmedicus?«, wollte Bruder Thomas wissen.
»Ja. Seine Gnaden Ludolf von Aspelt sagt das.«
»Und?«, insistierte Bruder Thomas. »Ist eine Besserung eingetreten?«
»Nein, bisher leider Gottes nicht. Aber das fragt Ihr besser ihn selbst. Da kommt er gerade«, sagte der schnöselige Kammerdiener und ging mit seiner Schüssel weiter.
Vom Ende des Ganges nahte ein würdevoller älterer Mann mit wehendem schwarzen Umhang. Als Zeichen seines Standes trug er einen silbernen Bart und eine schwarze Haube mit weißem Rand. Er hatte eine geschäftige und sorgenvolle Miene aufgesetzt und putzte sich die Hände an seinem samtenen Umhang ab, bevor er sich vor Graf Georg verneigte. »Euer Gnaden!«, begrüßte er ihn.
»Leibmedicus Ludolf von Aspelt«, stellte der Graf ihn vor. »Dies sind Anna von Hochstaden, ihres Zeichens Medica, und der Infirmarius Bruder Thomas.«
Bei der Erwähnung des Titels »Medica« blitzten die Augen des Leibmedicus kurz auf. Er deutete ein leichtes Nicken an und sprach weiterhin ausschließlich den Grafen an. »Bedauerlicherweise hat sich keine Besserung des Gesundheitszustandes Seiner Majestät eingestellt. Die vermehrte schwarze Galle in seinem Körper hat sich trotz zahlreicher Aderlässe noch
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