Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
nicht zurückgebildet und hält seine Säfte weiter im Ungleichgewicht. Er schläft jetzt und darf auf keinen Fall gestört werden, von wem auch immer.«
Dabei warf er Anna und Bruder Thomas einen drohenden Blick zu, um anzudeuten, dass insbesondere sie mit dem Besuchsverbot gemeint waren.
Der Graf intervenierte. »Ich habe die Medica und ihren Famulus auf ausdrücklichen Wunsch des Königs herbestellt. Sie haben die gegenwärtigen Reisestrapazen nicht ohne Grund auf sich genommen und möchten Seine Majestät untersuchen.«
Der Leibmedicus wurde schroff. »Es gibt nichts zu untersuchen. Seine Majestät ist bei mir in besten Händen und wünscht keine Störungen.«
Jetzt bedachte er Anna und Bruder Thomas mit einem halb verächtlichen, halb bedauernden Blick. »Habt Dank für Euer Kommen, aber es war nicht notwendig. Ihr könnt Euch also wieder auf die Heimreise begeben.« Dabei verschränkte er demonstrativ seine Arme.
Anna blieb ruhig. »Hat der König Schmerzen? Und wo genau? Hat er Fieber? Muss er sich übergeben?«
Ludolf von Aspelt schüttelte indigniert den Kopf. »Was erlaubt Ihr Euch, so mit mir zu sprechen? Auch wenn Ihr von hoher Geburt seid – über den Zustand des Königs gebe ich nur dem Grafen Auskunft, nicht jeder Novizin und selbsternannten Medica, wie Ihr es augenscheinlich seid.«
»Dass ich ein Habit trage, heißt noch lange nicht, dass ich eine Nonne bin. Das ist nur meine Reiseverkleidung. Ihr wisst genau, wie gefährlich es ist, als junge Frau unterwegs zu sein, deshalb ziehe ich es vor, auf den Landstraßen mit der Kutte zu reisen, die mein Geschlecht und mich unkenntlich macht. Ich bin Medica und mit dem König bekannt. Fragt ihn, er wird mich sicher empfangen.«
»Ich kann ihn nicht fragen, weil er schläft. Ich bin für seine Gesundheit verantwortlich und werde kraft meines Amtes nicht dulden, dass er gestört wird. Jede Aufregung könnte seine Körpersäfte noch mehr in ein gefährliches Ungleichgewicht bringen.«
Er verneigte sich kurz vor Graf Georg. »Verzeiht mir, Euer Gnaden, das ist keine Respektlosigkeit Euch gegenüber, sondern mein Recht und meine Pflicht, die ich sehr ernst nehme und die ich meinem König als sein Leibmedicus schulde.«
Anna drängte sich an ihm vorbei und ging ohne ein weiteres Wort den Gang hinunter, den der Leibmedicus entlanggekommen war. Bruder Thomas wusste nicht so recht, was er machen sollte. Ludolf von Aspelt rief Anna hinterher: »Was habt Ihr vor?«
Anna ging unbeirrt weiter, dann blieb sie stehen und wandte sich um. »Ich sehe nach dem König. Wollt Ihr mich mit Gewalt daran hindern?«
»Ich nicht. Aber die königlichen Wachen. Sie haben strikte Order, niemanden vorzulassen, und meine ausdrückliche Anweisung, von der Waffe Gebrauch zu machen, wenn jemand dem zuwiderhandeln sollte.«
Anna sah ein, dass ihr Vorstoß keinen Sinn machte, kehrte um und funkelte den Leibmedicus an. »Macht den Befehl rückgängig, in Gottes Namen! Wir sind hier, um zu helfen. Es kann doch nicht schaden, eine zweite Meinung zu hören!«
Der Leibmedicus genoss seine Autorität und wich kein Iota zurück, wörtlich und sinnbildlich. »Ich brauche keine zweite Meinung oder überhaupt eine Belehrung von einem Mädchen, das noch feucht hinter den Ohren ist. Bei wem habt Ihr denn Eure angebliche Heilkunst gelernt? Was für eine Erfahrung im Umgang mit Krankheiten könnt Ihr schon vorweisen, jung wie Ihr seid?«
»Ich war jahrelang Famula bei Infirmarius und Prior Pater Urban im Kloster Heisterbach, wenn Euch das etwas sagt. Und richtig gelernt, was Heilen heißt, habe ich bei Medicus Aaron aus Oppenheim.«
Jetzt mischte sich der Graf ein, der sich bisher bei diesem Streit, der nun zu eskalieren drohte, vornehm zurückgehalten hatte. »Was die Medica sagt, ist richtig. Medicus Aaron hat zusammen mit Anna meiner Frau und meinem Sohn das Leben gerettet, als meine Gemahlin im Kindbett lag.«
»Nun«, bemerkte der Leibmedicus spöttisch, »wo ist er denn jetzt, dieser Medicus Aaron? Ich kann ihn nicht sehen. Ich sehe nur eine vorlaute Göre mit verschiedenfarbigen Augen, die ich niemals an das Krankenbett meines Königs lasse. Verzeiht, Graf, aber das ist mein letztes Wort.«
Damit drehte er sich hocherhobenen Hauptes um und marschierte von dannen.
Graf Georg von Landskron zog in einer Geste der Machtlosigkeit die Schultern hoch. »In dem Fall sind mir leider die Hände gebunden. Ich kann mich nicht einfach über das Wort des Leibmedicus hinwegsetzen.«
Bruder
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