Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Freveltaten von einem Blitz erschlagen worden sein, als er von der höchsten Zinne seiner Burg aus Gott lästerte. Seitdem, so erzählen sich die Bauern in dieser gottverlassenen Gegend, ist er dazu verdammt, Reisende in die Irre zu führen und ihre Seelen dem Teufel zu übereignen. Jedenfalls hält das die Leute aus der Umgebung davon ab, allzu neugierig zu sein.«
»Und Graf Greifenklau? Will er etwas gegen die Raubüberfälle auf seinem Land unternehmen?«
»Sein Sohn, der junge Graf Chassim, ist vollauf damit beschäftigt, waffenfähige Männer für einen Feldzug gegen den Plackerer und seine Bande im Frühjahr zu werben.«
»Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr diesen Baldur von Veldern noch unter Kontrolle habt?«
»Die Aussicht auf die 200 Augustalen dürfte ihn gefügig genug machen.«
»Gut. Wir werden sehen, ob diese Nonne dazu etwas zu sagen hat.«
Er zupfte ungeduldig an seiner Kleidung herum. Für diesen Anlass hatte er auf jegliches liturgisches Gewand verzichtet, schließlich hielt er sich zu einer heimlichen Visitation im Frauenkloster St. Agatha auf und nicht, um eine heilige Messe abzuhalten. Er trug wie immer einen prächtigen pelzgefütterten und pelzverbrämten Umhang und sein Pileolus auf dem Kopf, und seine Haltung war die eines Papstes beim Empfang der Kardinäle, würdevoll und machtbewusst, einer Macht, die von Gott verliehen war. Für eine kleine unbedeutende Nonne, wie es Schwester Mathilde war, die nun von der Äbtissin hereingeleitet wurde, mussten schon allein sein gestrenges Aussehen und sein Habitus angsteinflößend wirken.
Die Nonne – ihre weiße Ordenstracht war Ausdruck ihrer Reinheit und Unbeflecktheit – schien immer noch benommen von ihrer überirdischen Anstrengung zu sein, das tote Mädchen ins Leben zurückgerufen zu haben. Als sie des Erzbischofs ansichtig wurde und im Augenwinkel ihre Äbtissin sah, wie sie ihr mit einer versteckten Geste zu verstehen gab, dass sie ihrem obersten irdischen Dienstherrn gefälligst die ihm angemessene Ehrerbietung erweisen sollte, ging sie in die Knie und verneigte sich vor ihm.
Der Erzbischof zeigte sich huldvoll. »Du kannst dich erheben, meine Tochter.«
Schwester Mathilde stand auf, hielt aber den Blick demütig zu Boden gerichtet.
»Komm näher, meine Tochter«, sagte der Erzbischof und erhob sich von seinem Sitz. Die Nonne machte ein paar Trippelschritte auf ihn zu und verharrte dann wieder in respektvoller Distanz. Konrad von Hochstaden ging um sie herum, blieb hinter ihr stehen und nahm ihre rechte Hand. Sie wehrte sich nicht und ließ es mit sich geschehen, als er die Hand anhob, sie umdrehte und ihr Stigma besah, auf dem sich ein Schorf gebildet hatte. Er prüfte die Wunde in ihrer Handinnenfläche mit dem Zeigefinger.
»Es ist nicht tief«, sagte er. »Wie oft blutet es?«
Schwester Mathilde hielt den Kopf immer noch gesenkt.
»Antworte Seiner Eminenz, wenn er dich etwas fragt«, wurde sie von der Äbtissin angeherrscht.
»Ich weiß nicht, es erscheint unregelmäßig, Euer Eminenz«, hauchte sie schließlich mit leiser Stimme.
»Seit wann hast du die Stigmata?«, wollte der Erzbischof wissen.
»Seit ich … Seit ich die Braut Christi bin«, kam es zaghaft von ihren Lippen.
»Schwester Mathilde hat vor zwölf Jahren das Gelübde abgelegt«, half die Äbtissin aus. »Sie ist jetzt 26 Jahre alt.«
Der Erzbischof nickte, als wäre er mit dieser Antwort zufrieden, dann fragte er die Äbtissin direkt: »Schwester Mathilde ist recht einträglich für das Kloster, nehme ich an.«
Jetzt schlug die Äbtissin die Augen nieder und bekreuzigte sich. »Die Gläubigen erwarten Wunder, und wir haben in Schwester Mathilde eine Jungfrau, die durch die Gnade des Herrn damit gesegnet ist, diese Wunder sichtbar und erlebbar werden zu lassen.«
Der Erzbischof blickte Pater Severin auffordernd an. »Die großherzigen Spenden an das Kloster und damit die Heilige Mutter Kirche erfreuen unser aller Herz, ehrwürdige Äbtissin«, sagte dieser und gönnte der Klostervorsteherin eine leichte Neigung seines Kopfes, die diese lächelnd erwiderte. »Es steht alles in den Rechnungsbüchern, die Euch alljährlich vorzulegen ich die Ehre habe, Euer Eminenz.«
»Ihr habt die genauen Zahlen bestimmt im Kopf, habe ich recht?«, stichelte der Erzbischof.
»Wollt Ihr sie hören?«, fühlte sich Pater Severin an seiner Ehre als erzbischöflicher Buchhalter gepackt.
»Nein«, sagte Konrad von Hochstaden, umrundete die Nonne erneut und blieb vor
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