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Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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ihr stehen.
    »Sieh mir in die Augen!«, befahl er.
    Zögernd hob Schwester Mathilde den Kopf und sah ihm mit offenem Blick regungslos ins Gesicht. Der Erzbischof fing ihren Blick ein und ließ ihn nicht mehr los. Keiner, den er kannte, konnte seinen bohrenden Blick lange ertragen, ohne die Augen wieder niederzuschlagen. Aber Schwester Mathilde hielt seinem Blick stand, sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. Statt in die Abgründe ihrer Seele zu blicken, hatte der Erzbischof den irritierenden Eindruck, dass sie versuchte, die seinen auszuforschen.
    »Mir wurde berichtet, dass der Allmächtige dir die seltene Gabe der Prophezeiung verliehen hat. Ist das so?« Immer noch hielt er ihren Blick fest.
    »Ja, gelegentlich, Euer Eminenz.«
    Der Erzbischof wandte sich ab und sah in den winterlichen Klostergarten hinaus, der mit frisch gefallenem Schnee bedeckt war und genauso jungfräulich und unberührt wirkte wie die weißgekleidete Nonne hinter ihm. Aber er wusste dass unter der glitzernden Oberfläche der Schmutz und Matsch des alten, fast vergangenen Jahres nur verborgen war. Alles war grausame Täuschung, Verführung und Illusion, auch in der Natur. Gott liebte es, damit zu spielen. Das hatte er, Konrad von Hochstaden, mit seinem Schöpfer gemeinsam. Die Regeln der Macht und die Regeln des Krieges beruhten auf Täuschung. Und beides beherrschte er bis an die Grenzen der Perfektion.
    »Soso, gelegentlich«, murmelte er geistesabwesend.
    Die Äbtissin und Pater Severin standen unbeweglich an der Seite des Tisches und fragten sich, worauf der Erzbischof wohl hinauswollte.
    »Dann sag mir«, er drehte sich wieder zu Schwester Mathilde um, »wird das ein langer und strenger Winter?«
    »Das vermag ich nicht zu sehen, Eminenz.«
    »Was kannst du dann sehen?«
    »Ich kann sehen, was mit einem Menschen geschieht. Wenn ich seine Hand nehme, die zu seinem Herzen führt. Aber nicht immer.«
    »Was siehst du dann? Seine Krankheiten? Seinen Tod?«
    »Das ist unterschiedlich. Manchmal sein Glück, manchmal sein Unglück.«
    »Dann kannst du also nicht sehen, was … Sagen wir mal, mit dem König geschehen wird?«
    »Habt Ihr mit dem König Umgang?«
    »Von Zeit zu Zeit.«
    »Dann habt Ihr ihn schon mal berührt?«
    »Er durfte meinen Bischofsring küssen.«
    »Das reicht.« Sie streckte die Hand aus. »Gebt mir Eure linke Hand.«
    Der Erzbischof machte keine Anstalten, der Aufforderung Folge zu leisten. »Vorher will ich noch etwas anderes wissen, was mir sehr am Herzen liegt.«
    Sie zog ihre Hand wieder zurück und wartete auf seine Frage.
    »Kannst du mir sagen, was mein größter irdischer Wunsch ist?«
    »Das kann ich Euch auch von den Augen ablesen, Eminenz.« Sie lächelte nicht. »Es ist der Bau des neuen Kölner Doms.«
    »Ha!«, rief der Erzbischof aus. Mehr nicht. Aber er schien beeindruckt zu sein.
    Erneut streckte die Nonne ihre Hand aus. »Gebt mir Eure Hand, Eminenz, dann sage ich Euch, was ich noch sehe.«
    Konrad von Hochstaden zögerte. Er wandte sich an seinen Adlatus, Pater Severin, und sah ihn auffordernd an. Der wusste im selben Augenblick, was der Erzbischof von ihm wollte, und hob abwehrend die Hände. Er schüttelte vehement den Kopf und wich zurück. »Nein, nein, dreimal nein! Das ist für mich Hexenwerk, Euer Eminenz. Ich gebe mich vertrauensvoll in Gottes Hand, der Herr allein ist mein Hirte und mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.« Er bekreuzigte sich.
    »Siehst du«, sagte Konrad von Hochstaden zu Schwester Mathilde, »es will gar nicht jeder wissen, was seine Zukunft ist.«
    »Vielleicht, weil ich auch in die Vergangenheit sehen kann«, entgegnete die Nonne.
    »Das vermagst du auch?«
    »Gelegentlich.«
    »Du bist gefährlich, meine Tochter, weißt du das?«
    »Ich bin nur ein Werkzeug nach dem Willen des Allmächtigen, Euer Eminenz.«
    Ohne Aufforderung trat sie überraschend auf den Erzbischof zu und ergriff mit beiden Händen seine Linke, bevor er reagieren konnte. Die Äbtissin wollte sofort empört einschreiten und packte die Nonne an der Schulter. »Schwester Mathilde – was erlaubst du dir!«
    Der Erzbischof winkte die Äbtissin mit der freien Hand zurück. »Lasst sie gewähren!«
    Die Äbtissin ließ los, und im selben Augenblick wurde Schwester Mathilde von einem heftigen Krampf am ganzen Körper erfasst. Sie zitterte wie in einem Anfall von Schüttelfrost, verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und sank in

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