Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
die Knie, ohne dabei die Hand des Erzbischofs loszulassen. Konrad von Hochstaden versuchte, sich von ihrem eisernen Griff zu befreien, es dauerte eine ganze Weile, bis Pater Severin und die Äbtissin reagierten und schließlich beherzt einschritten. Zu dritt schafften sie es endlich, den Starrkrampf der Nonne und damit ihre Hände zu lösen. Schwester Mathilde fiel auf den Boden und zuckte konvulsivisch, Schaum trat ihr vor den Mund.
Der Erzbischof versuchte, seine Fassung angesichts dieses völlig unerwarteten Anfalls wiederzugewinnen und besah seine linke Hand. Sie war von Schwester Mathildes Stigmata, die anscheinend wieder aufgebrochen waren, blutverschmiert. Die Äbtissin wollte seine Hand mit den Ärmeln ihres Habits abwischen, aber der Erzbischof wehrte sie schroff ab. Die weißgekleidete Nonne auf dem Boden, deren Gewand jetzt blutbesudelt war, zuckte noch ein-, zweimal mit den Beinen, dann krümmte sie sich zusammen und wimmerte nur noch vor sich hin.
Die Hand von sich gestreckt, von der das Blut heruntertroff, stand Konrad von Hochstaden voller Ekel da und befahl Pater Severin in einem Ton, der keinerlei Widerspruch zuließ: »Klagt diese Ketzerin wegen Häresie an, und sorgt dafür, dass sie verurteilt wird. Sie ist vom Teufel besessen. Gott sei ihrer armen Seele gnädig!«
Er wischte seine Hand an Pater Severins Habit ab, drehte sich mit angewidertem Gesicht um und rauschte aus dem Empfangsraum der Äbtissin, sie und Pater Severin fassungslos zurücklassend.
VI
K onrad IV . schlug die Augen auf. Er war mit seinem Geist ganz woanders, das sah Anna auf den ersten Blick. Sie saß neben seinem Bett und befühlte seine Stirn, die nicht fiebrig war, sie fühlte sich kalt an. Sie war sich nicht sicher, ob er sie erkannte. Er begann die Lippen zu bewegen und zu sprechen, aber Anna verstand nicht, was er sagen wollte. Sie beugte ihren Kopf zu ihm hinunter und hielt ihr Ohr nah an seinen Mund.
»… habe solchen Durst …«, konnte sie aus dem, was er wisperte, heraushören.
Der König sah schrecklich aus, leichenblass, abgemagert und ausgezehrt, seine Augen lagen tief in den dunkel umrandeten Höhlen, sein Haar war verfilzt und fettig, seine Finger zitterten.
Anna sah sich in dem düsteren Gemach um. Eine einsame brennende Kerze auf einem Leuchter war die einzige künstliche Lichtquelle, durch das kleine geöffnete Fenster fiel ein schmaler Sonnenstrahl herein, in dem Staubflöckchen tanzten. Sie kannte das Gemach, hier hatte sie Medicus Aaron geholfen, der hochschwangeren Gräfin Ottgild im letzten Moment den Bauch aufzuschneiden, und ihr und dem Kind das Leben gerettet.
Das Bett, in dem der König lag, hatte einen Baldachin und Vorhänge, die an den Ecken zusammengebunden waren. Im Gegensatz zu den Schlafstellen normaler Leute – einfachen Strohmatratzen – war es auf vier Pfosten und einem geschreinerten Holzgestell höher gestellt. Der junge König war so tief in seinem Kopfkissen versunken, dass sein schmales Gesicht mit der spitz gewordenen, wachsbleichen Nase gerade noch hervorlugte. Bartwuchs hatte er noch keinen, er wirkte wie ein kranker, schmächtiger Junge, der er dem Alter nach auch noch war.
Anna stand von ihrem Hocker auf und ging zu einem Tisch, auf dem eine Karaffe mit einer Flüssigkeit und ein Becher standen. Sie schenkte davon ein, roch daran und nahm vorsichtig einen ganz kleinen Schluck, den sie wieder ausspuckte, es war verdünnter Wein. In diesem Fall und nach der üblen Erfahrung mit Jeronimus, dem Knochenhauer, traute sie niemandem mehr; nur sich selbst. Sie hatte ein Fläschchen dabei, das ein selbstgebrautes Mittel aus allerlei Kräutern und Honig enthielt, das sie schwachen Patienten zu verabreichen pflegte. Sie hatte den Stärkungstrank extra noch nach einer Rezeptur von Medicus Aaron mit Bruder Thomas auf Burg Greifenklau frisch angesetzt. Sie nahm den Stopfen heraus, setzte sich auf den Bettrand, half dem Jungen, indem sie seinen Kopf hob und abstützte, und benetzte seine trockenen, aufgesprungenen Lippen mit dem Trank aus dem Fläschchen. Konrad probierte mit der Zunge und nahm dann mit größter Mühe zwei Schlucke daraus. Erschöpft wie von einer großen Anstrengung ließ sich der König wieder in sein Kissen zurücksinken und schloss dankbar die Augen. Als er jetzt anfing zu sprechen, war seine Stimme, obschon noch heiser, wesentlich deutlicher zu verstehen. »Medica«, flüsterte er, »wie kommt Ihr hierher?«
Erleichtert stellte Anna fest, dass der König zwar
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