Die Rache Der Wache
und sie wußte nicht, ob er sich schnell genug bewegen konnte.
Er kicherte. »Wir Tiere haben uns untereinander recht gut angefreundet«, erklärte er. »Obwohl der Salamander ein wenig zickig ist.«
Wess brach mit dem Messer das Schloß auf. Aristarchus riß es von der Tür und schmiß es in das Stroh. Er lächelte. »Meine Laune ist in diesen schlechten Tagen nicht die beste.«
Wess griff noch einmal durchs Gitter und drückte seine Hand. Nahe dem Zelt wendeten die gescheckten Pferde Satans Wagen. Bauchle Meyns brüllte nervös Anweisungen. Aristarchus sah zu Satan hinüber.
»Es ist gut, daß du kommst«, stellte er fest. »Ich überredete ihn, wenigstens eine Zeitlang mitzumachen, aber es fällt ihm nicht leicht. Wenn er sie erst genug gereizt hat, vergessen sie vielleicht, wie wertvoll er ihnen ist.«
Wess nickte und dachte an die Peitschenstriemen.
»Ich muß eilen«, sagte sie.
»Das Glück sei mit dir.«
Sie näherte sich dem Zelt so gut es ging, konnte aber nicht hineinsehen. Sie mußte sich anhand der lautstarken Reaktion der Zuschauer ein Bild machen, was im Inneren vor sich ging. Der Kutscher lenkte die Pferde einmal um den Ring. Jemand kroch unter den Wagen und löste Satans Fußfesseln — außerhalb der Reichweite seiner Krallen. Und dann ...
Dann hörte sie das Aufatmen, das unwillkürliche Schnappen nach Luft, als Satan die Flügel ausbreitete und flog.
Über dem Zelt erkannte Wess Aeries Silhouette. Sie warf den Mantel zurück und winkte, ihr ein Zeichen gebend, hoch. Aerie tauchte hinunter auf das Zelt und landete.
Wess zog ihr Messer und sägte damit an einem Haltetau. Sie hatte die Schneide weitgehend geschont, so daß es noch recht gut schnitt. Als sie zum nächsten Tau huschte, hörte sie an den Geräuschen aus dem Zelt, daß die Leute allmählich merkten, daß etwas nicht in Ordnung war. Quartz und Chan waren also auch nicht müßig. Wess schnitt am zweiten Tau. Als das Zelt begann, zusammenzusacken, hörte sie, wie oben am Zeltdach die Leinwand aufgerissen wurde. Aerie benutzte ihre Krallen. Wess durchschnitt ein drittes Tau und ein viertes. Die leichte Abendbrise drückte den lockeren Stoff zusammen. Die Leinwand peitschte und heulte wie ein Segel. Wess hörte Bauchle Meyns brüllen: »Die Seile! An die Seile, sie reißen!«
Von drei Seiten stürzte das Zelt ein. Die Menschen im Inneren begannen zu schreien und zu brüllen und versuchten, ins Freie zu gelangen. Ein paar stürzten auf den Paradeplatz, alle anderen drängten auf die verbleibende schmale Öffnung zu. Der Schrei eines verängstigten Pferdes übertönte die Geräusche der Menge, und aus der Verwirrung wurde Panik. Die scheckigen Pferde stieben durch das Gewühl und zermalmten die Menschen in ihrem Weg. Satans leerer Wagen schlingerte und holperte hinterdrein. Mehr verängstigte Menschen quollen aus dem Zelt. Die Wachen kämpften gegen den Menschenstrom, um in das Zelt zu ihrem Prinzen zu gelangen.
Wess sah sich um und suchte nach Chan und Quartz, plötzlich erstarrte sie vor Schreck. Im Schatten hinter dem Zelt erkannte sie Bauchle Meyns, der einen liegengelassenen Bogen aufhob. Er achtete gar nicht auf das Chaos, sondern zielte mit einem Pfeil mit Stahlspitze nach oben. Wess sprintete, stieß ihn mit der Schulter an und brachte ihn so aus dem Gleichgewicht. Die Bogensehne sirrte, der Pfeil torkelte nach oben, drehte sich, fiel, und grub sich in die lockere Leinwand.
Bauchle Meyns sprang hoch, sein Gesicht war dunkelrot vor Wut.
»Du kleine Hure!« Er sprang sie an, packte sie und schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. »Du hast mich aus reiner Boshaftigkeit ruiniert.«
Der Schlag streckte sie nieder. Diesmal spottete Bauchle Meyns nicht. Halb blind stolperte sie weg von ihm. Sie hörte seine Schritte näher kommen, er trat ihr in die Rippen. Sie hörte den Knochen krachen. Sie zog ihr Messer, aber es blieb, durch die schlechte Behandlung rauh geworden, an der Hülle hängen. Die Welt verschwamm vor ihren Augen, und sie bekam kaum Luft. Sie zerrte an ihrem Messer, Bauchle Meyns kam näher und trat sie erneut.
»Diesmal entkommst du mir nicht, Hure!« Er ließ Wess auf Hände und Knie kommen. »Lauf weg!« Er kam näher.
Wess stürzte vor und umklammerte seine Beine. Blind vor Wut vergaß sie ihren Schmerz. Er schrie, als er fiel. Einen Angriff hatte er nicht erwartet. Wess kämpfte sich auf die Füße. Schließlich bekam sie ihr Messer frei, gerade als Bauchle sich erneut auf sie stürzte. Sie jagte ihm die
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