Die Rache Der Wache
Klinge in den Magen und riß sie hoch bis zum Herz.
Sie wußte, wie man tötet, aber das war der erste Mensch, der durch ihre Hand starb. Vom Blut ihrer Beute besudelt zu werden, war für sie nichts Neues, aber es war nie das Blut ihrer eigenen Rasse gewesen. Sie hatte Geschöpfe durch ihre Hand sterben sehen, aber nie zuvor ein Wesen, das wußte, was sterben bedeutete.
Sein Herz pumpte noch Blut um die Klinge, und seine Hände versuchten kraftlos, die ihren wegzustoßen, als er auf die Knie fiel; er zuckte, fiel vornüber, krümmte sich und starb.
Sie riß ihr Messer aus seinem Körper. Erneut vernahm sie die Schreie der verängstigten Pferde, die Flüche wütender Männer und das Heulen des halb verhungerten Wolfswelpen.
Das Zelt schimmerte im Zauberlicht.
Ich wollte, es wären Fackeln, dachte sie. Sie könnten dich verbrennen, das würdest du verdienen.
Aber da war kein Feuer, nichts brannte, sogar das magische Licht verblaßte.
Wess sah in den Himmel auf. Mit dem Ärmel wischte sie sich die Tränen aus den Augen.
Die beiden Fliegenden schwebten vor der Sichel des zunehmenden Mondes — frei!
Und jetzt...
Von Quartz und Chan war nichts zu sehen. Um sie herum kämpften Menschen aus Freistatt gegeneinander, und weitere Wachen kamen, um ihren Herrn zu beschützen. Der Salamander schleppte sich vorbei und zischte vor Furcht.
Pferdehufe stürmten auf sie zu, sie fuhr herum, aus Angst, niedergetrampelt zu werden. Aristarchus hielt an; er warf ihr die Zügel des freien Pferdes zu. Es war der Schecke von Satans Wagen, der mit dem wilden blauen Auge. Er witterte das Blut und bäumte sich auf. Sie erwischte die Zügel. Das Pferd stieg jedoch erneut und riß sie von den Füßen. Die gebrochene Rippe schmerzte höllisch; sie schnappte nach Luft.
»Steig auf!« rief Aristarchus. »Von unten bekommst du ihn nicht unter Kontrolle!«
»Ich weiß nicht wie ...« Das Sprechen verursachte ihr große Schmerzen.
»Greif nach seiner Mähne und spring! Halt dich mit den Knien fest.«
Sie tat, was er ihr geraten hatte, und fand sich auf dem Rücken des Pferdes wieder; fast wäre sie auf der anderen Seite hinuntergerutscht. Mit den Knien klammerte sie sich fest, und das Tier sprang vorwärts. Beide Zügel hingen auf einer Seite — Wess wußte, daß das so nicht stimmen konnte. Sie zog daran, der Schecke drehte sich im Kreis und warf sie beinahe wieder ab. Aristarchus lenkte sein Pferd an ihre Seite und griff nach den Zügeln. Das Tier stand zitternd, mit gespreizten Beinen und bebenden Nüstern. Wess hatte sich angstvoll an seine Mähne geklammert. Die gebrochene Rippe schmerzte so sehr, daß sie fast die Besinnung verlor.
Aristarchus beugte sich vor, blies sanft in die Nüstern des Pferdes und sprach leise zu ihm. Wess konnte die Worte nicht verstehen. Behutsam brachte der Troll die Zügel in Ordnung. Das Pferd entspannte sich allmählich und stellte die Ohren wieder auf.
»Zieh nur sanft an den Zügeln, Frejöjan«, riet der Troll. »Er ist in Ordnung, nur ein wenig verängstigt.«
»Ich muß meine Freunde finden«, sagte Wess.
»Wo wolltet ihr euch treffen?«
Aristarchus' sanfte Stimme half ihr, sich zu beruhigen.
»Dort drüben.« Sie deutete auf einen finsteren Winkel hinter dem Zelt. Aristarchus setzte die Pferde in die angegebene Richtung in Bewegung. Den Zügel von Wess' Pferd hielt er noch immer in der Hand. Elegant stiegen die Tiere über zerbrochene Trümmer und verstreut herumliegende Kleidung.
In dem Moment liefen Quartz und Chan aus dem Schatten des Zeltes. Quartz lachte. Durch das Chaos erblickte sie Wess und machte Chan auf sie aufmerksam. Sie rannten ihr entgegen.
»Hast du sie fliegen sehen?« fragte Quartz. »Sie waren schneller als Adler.«
»Hoffentlich waren sie auch schneller als Pfeile«, bemerkte Aristarchus trocken. »Schick dich, Große, sitz bei mir auf, und du«, er wies auf Chan, »bei Wess.«
Sie gehorchten. Quartz gab dem Pferd die Sporen, und es machte einen Satz nach vorne, aber Aristarchus zügelte es.
»Langsam, Kinder«, sagte er. »Langsam, in der Dunkelheit wird uns keiner bemerken.«
Zu Wess' Überraschung behielt er recht.
In der Stadt hielten sie die Pferde in Gang, und Quartz verbarg den Troll unter ihrem Umhang. Der Tumult lag hinter ihnen, und niemand verfolgte sie. Wess klammerte sich an die Mähne ihres Reittieres; es war kein gutes Gefühl, so hoch über dem Boden zu sitzen.
Der direkte Weg aus der Stadt heraus führte nicht am Einhorn vorbei, nicht einmal
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