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Die Rache Der Wanderhure

Die Rache Der Wanderhure

Titel: Die Rache Der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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auf den Fremden. Die Händlertracht irritierte ihn, denn er hatte das Gefühl, den Mann schon einmal gesehen zu haben. Daher gesellte er sich zum Grafen und lauschte ebenso wie dieser den Erklärungen des Kaufmanns.
    »Ihr knetet den Schwefel, den Salpeter und die Kohle mit Wein oder Essig zu einem Kuchen, lasst ihn trocknen und gewinnt damit das neue Knollenpulver, das für diese Waffe geeignet ist. Es ist ein körniges Pulver, das viel heftiger brennt als das normale Schwarzpulver, das bei Kanonen Verwendung findet. In einem wasserdicht verschlossenen Horn lässt es sich nach Belieben herumtragen, so dass die Handbüchse an jedem Ort eingesetzt werden kann. Darf ich …«
    Hettenheim zeigte die Handbüchse, füllte mit bedächtigen Handgriffen etwas Pulver ab, schüttete es in den Lauf, gab dann einen Pfropfen aus Papier hinzu und steckte die Kugel darauf. Mit einem hölzernen Stock trieb er das Geschoss in den Lauf, drückte ein großzügig bemessenes Stück Lunte ins Zündloch und ließ sich eine Fackel reichen.
    Bevor er die Lunte anbrannte, wies er auf mehrere Rüstungen, die von den Dienern des Grafen in etwa dreißig Schritt Entfernung aufgestellt worden waren. Eine davon stammte von einem königlichen Ritter, der sich vor einigen Wochen zu nahe an Sokolny herangewagt hatte, um Marat herauszufordern, und die andere von einem Hussitenoffizier. Beide Rüstungen bestanden aus Brustpanzer, Schild und Helm und trugen die Wappen und Abzeichen des jeweiligen Heeres.
    »Ihr erlaubt mir, die Rüstung der Königlichen zu verschonen und auf den Hussiten zu zielen?«, scherzte Hettenheim.
    Graf Sokolny schmunzelte. »Solange Sigismund begreift, dass wir keine Unterschiede machen, wenn unsere Grenzen überschritten werden, kannst du wählen, auf welche Rüstung du schießen willst.«
    Mit zufriedener Miene zündete Hettenheim die Lunte an, reichte die Fackel zurück und richtete seine Handbüchse auf die Hussitenrüstung. Da erst bemerkte er Marat und ein Stück hinter dem Schlitzäugigen einen Mann, den er tot geglaubt hatte. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder, und er zog den Lauf der Waffe in einer Reflexbewegung herum, so dass das Rohr auf Michel zeigte. Die Lunte war zwar lang bemessen, brannte aber rasch ab.
    Hettenheim sagte sich, dass es nur eine Ähnlichkeit sein konnte. Zum einen trug der Mann, den er für Michel von Hohenstein gehalten hatte, fremdartige Kleidung, und zum anderen schien der Krieger ihn nicht zu erkennen. So stark, sagte er sich, hatte die Händlertracht ihn gewiss nicht verändert.
    Marat hatte das Erschrecken des Händlers bemerkt, sah den auf seinen Freund gerichteten Lauf und griff zum Schwert. Da er annahm, der Händler gehöre zu jenen, die den Němec an der Egerfurt in die Falle gelockt hatten, wollte er dem Fremden die Hand abschlagen, die die Waffe hielt, bevor der Schuss sich lösen konnte.
    Anders als Marat erkannte Michel die Gefahr nicht, in der er schwebte, denn er hatte die Wirkung der Handbüchsen ebenso vergessen wie so vieles andere aus seinem Leben. Daher trat er noch einen Schritt näher, um das unscheinbar wirkende Bronzerohr genauer in Augenschein zu nehmen.
    Hatte Michels fremdartiges Aussehen Hettenheim eben noch verwirrt, so war er sich jetzt vollkommen sicher. Der Mann, den er im Auftrag des päpstlichen Inquisitors hatte töten sollen, lebte noch! Ihm kam auf einmal die Geschichte von König David und Bathseba in den Sinn. So wie der biblische König begehrte auch Janus Suppertur ein verheiratetes Weib und hatte sich ihres Ehemanns entledigen wollen. Anders als bei David und Urias war dies hier vorerst misslungen. Verzweifelt überlegte Hettenheim, was er tun sollte. Wenn er Michel von Hohenstein hier an dieser Stelle vor aller Augen niederschoss, hatte er den Auftrag des Inquisitors erfüllt. Dann aber würden die Gefolgsleute des Grafen ihn in Stücke hauen.
    Der letzte Gedanke gab den Ausschlag. Gerade noch rechtzeitig riss er den Lauf herum, richtete ihn auf die erste Rüstung und hörte fast gleichzeitig den Knall des Schusses. Der Helm der Rüstung wurde wie von einer unsichtbaren Hand gepackt und flog mit einem gewaltigen Scheppern etliche Schritte weit weg.
    Während von Sokolnys Begleitern ein beifälliges Gemurmel erklang, atmete Hettenheim erleichtert auf. Er war dem Teufel gerade noch rechtzeitig von der Schaufel gesprungen. Allerdings ließ er Michel Adler nicht mehr aus den Augen. Dieser sprach gerade mit Ritter Roland über die Wirkung der Waffe, ohne

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