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Die Rache Der Wanderhure

Die Rache Der Wanderhure

Titel: Die Rache Der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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dichten Wald. Dann öffnete sich vor ihr eine Rodungsinsel von fast einer halben Meile Durchmesser. Während im Westen bereits die Sonne hinter den Waldbergen versank, sah Marie im letzten Schein des Tages Felder und Wiesen vor sich und in deren Mitte ein Dorf. Zwar wusste sie nicht, wer dort lebte, doch sie hoffte, etwas zu essen und ein Nachtlager zu erhalten.
    Als sie auf den Ort zuging, wiederholte sie für sich einige böhmische Sätze, die Nepomuk sie gelehrt hatte, und entdeckte kurz darauf an einem der Häuser ein geschnitztes Wirtshausschild. Es zeigte ein sich aufbäumendes Pferd und einen großen Bierkrug. Da es in diesem Moment zu regnen begann, trat sie kurz entschlossen ein und fand sich in einem dämmrigen Raum wieder, in dem eine junge Frau gerade mehrere Unschlittlampen entzündete.
    »Dobrý den«,
grüßte Marie und bemühte sich dabei, ihrer Stimme einen tiefen, festen Klang zu geben.
    »Dobrý den«,
antwortete die Frau und musterte sie dabei so durchdringend, dass Marie sich unwillkürlich an den Hut langte, weil sie Angst hatte, eine ihrer langen Haarsträhnen könnte sich hervorgestohlen haben. Jetzt bedauerte sie, dass sie es nicht über sich gebracht hatte, ihre Haare abzuschneiden. Betont forsch trat sie auf einen Tisch zu, setzte sich und blickte den Wirt an, der auf sie zugewieselt kam.
    »Ich hätte gerne ein Bier und etwas zu essen!« Allein bei dem Gedanken daran begann ihr Magen zu knurren. Durst hatte sie auch, und so war sie froh, als ihr der Wirt einen Krug füllte und hinstellte. Das Bier schmeckte bitterer als zu Hause, erfrischte aber, und so leerte sie den Krug auf einen Zug bis zur Hälfte. Unterdessen verschwand der Wirt in der Küche, und kurz darauf vernahm sie das Geräusch brutzelnden Fetts.
    Während Marie auf das Essen wartete, hatte sie Muße, die anderen Gäste zu betrachten. An einem Tisch weiter hinten saßen mehrere Soldaten, dem Aussehen nach Hussiten. Also war sie vorhin wohl falsch gegangen, zu weit nach Osten abgekommen und in Fürst Vyszos Machtbereich geraten. Sie atmete tief durch, um ihr klopfendes Herz zu beruhigen, und ließ ihren Blick weiterwandern.
    In der Nähe des Schanktisches saß eine einzelne Frau in einem abgetragenen Kleid, und als ein weiterer Gast die Tür öffnete, fuhr ein Windstoß durch die Gaststube und ließ mehrere gelbe Bänder an ihrem Kleid aufflattern. Also handelte es sich um eine Hure, und zwar um eine aus Böhmen. Das verriet ihr die Sprache der Frau, die sich dem Neuankömmling sofort anbot. Dieser winkte ab und setzte sich zu den Soldaten.
    Es dauerte eine Weile, bis der Wirt zurückkam und Marie einen Zinnteller voller gebratener Fische und ein großes Stück Brot hinstellte. »
At’ Ti chutná,
lass es dir schmecken«, sagte er dabei.
    »
Děkuji,
danke«, antwortete Marie und begann zu essen. Dabei lauschte sie dem Gespräch, das am Tisch der Soldaten geführt wurde. Ihre Kenntnisse der böhmischen Sprache waren zu gering, um mehr als ein paar einzelne Worte verstehen zu können. Aber sie begriff, dass der Angriff auf Sokolnys Burg kurz bevorstehen musste und die Männer sich ihres Erfolges bereits sicher waren.
    Maries Gedanken wanderten weiter zu dem Mann, den der Patrouillenführer erwähnt hatte, dem Krieger ohne Namen. Nach Jakubs Beschreibung konnte es sich nur um Michel handeln. Ein Teil ihrer selbst warnte sie, dass sie einer trügerischen Hoffnung nachjagte, wenn sie glaubte, ihren Mann lebend vorzufinden. Wahrscheinlicher war, dass seine Gebeine in irgendeinem Gebüsch vermoderten.
    Entschlossen stemmte sie sich gegen dieses Bild, das sie dazu bringen wollte, aufzugeben. Solange noch Leben in ihr war, würde sie jedem Gerücht folgen, das auf Michel hindeutete. Mit diesem Entschluss beendete sie ihr Essen und legte dem Wirt ein paar Münzen hin, um ihre Zeche zu begleichen. Sie wollte ihn nach einem Nachtlager fragen, als die Hure, die das Geld in Maries Beutel hatte klimpern hören, aufstand und hüftenschwingend auf sie zukam.
    »Na, mein Hübscher, wohin des Wegs?«, fragte sie und setzte sich ungebeten neben den angeblichen Jüngling.
    Eine Hure war ungefähr das Letzte, was Marie brauchen konnte. Daher machte sie eine abwehrende Miene und sagte: »
Na jih,
nach Süden!«
    Sie hoffte, damit die Frau abschütteln zu können, doch diese war anhänglicher als eine durstige Bremse.
    »Über die Grenze zu Sokolny? Da sieh dich vor …«
    Marie winkte ab. »Vor dem gnadenlosen, namenlosen Němec, ich

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