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Die Rache Der Wanderhure

Die Rache Der Wanderhure

Titel: Die Rache Der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Rentier, wie Marat sie spöttisch genannt hatte. Ein sengendes Feuer raste durch seinen Schädel, und er glaubte für einen Augenblick, bewusstlos zu werden. Erschrocken kniff er die Augen zusammen und hielt sich mit der linken Hand am Sattel fest. Als der Schmerz in seinem Kopf nachließ, stieg er steifbeinig vom Pferd und starrte Marie an. Alles in ihm schrie, dass sie ein wichtiger Teil seiner Vergangenheit sein musste, doch suchte er vergebens nach einer Erinnerung.
    »Ich … Wer …«, stöhnte er, brach aber jedes Mal ab, da er nicht einmal in Gedanken einen einzigen Satz formulieren konnte.
    Sein Verhalten bestürzte Marie. »Michel, ich bin es doch!«
    »Michel?« Der Name sagte ihm nichts. Er stand da und begriff, dass mit dieser Frau ein Teil seiner Vergangenheit Gestalt angenommen hatte. Plötzlich fürchtete er sich davor, was er von ihr erfahren würde, und wich einen Schritt zurück.
    »Was ist los mit dir?« Marie folgte ihm, während ihr die Freude, ihren Mann gefunden zu haben, aber auch Erschöpfung und Enttäuschung über sein Verhalten die Tränen in die Augen trieben.
    Wieso sieht er mich an, als wäre ich eine Fremde?, fragte sie sich.
    Der Augenblick schien wie eingefroren, ohne dass einer von ihnen in der Lage war, die Erstarrung zu durchbrechen. Unterdessen hatten Marat und Janka zu ihnen aufgeschlossen. Während die Komtesse Marie verständnislos musterte, hatte der Waffenmeister ein freudloses Lächeln aufgesetzt. Rascher als Michel begriff er, dass dieser von seiner Vergangenheit eingeholt worden war und ihr nicht mehr entkommen konnte.
    Mit einem bedauernden Blick streifte er Janka. Sie war ein hübsches Ding, doch mit dieser fremden Schönheit konnte auch sie nicht konkurrieren. Noch mehr tat es ihm leid, dass der Němec nun nicht der neue Graf auf Sokolny werden würde. Ihm hätte er zugetraut, das Land ebenso erfolgreich gegen die gierigen Klauen des Königs wie gegen Vyszos Hussiten zu verteidigen. Nun würden Janka und ihr Vater sich wieder an Ritter Roland halten müssen. Doch ebenso wenig, wie Janka sich mit dieser Fremden messen konnte, so wenig reichte der Ritter an den Němec heran. An Michel, korrigierte Marat sich, da er den Namen, den die Fremde benutzt hatte, für den richtigen hielt.
    Janka passte die Begegnung mit der Unbekannten überhaupt nicht, und sie hieb mit ihrer Reitgerte verärgert durch die Luft. »Wer ist das Weib?«, fragte sie hochmütig.
    »Das Rentier des Němec oder, besser gesagt, sein Schicksal«, antwortete Marat nachdenklich.
    Der Blick, den Janka daraufhin Marie zuwarf, sagte ihm, dass er besser auf die Fremde achtgeben sollte. Er hielt die Komtesse für impulsiv genug, die überraschend aufgetauchte Konkurrentin mit allen Mitteln beseitigen zu wollen. Der Kampf zwischen den beiden hatte bereits begonnen, denn Janka ging eben zu Michel, fasste mit einer besitzergreifenden Geste dessen Arm und funkelte die Fremde mit hasserfüllten Augen an.
    Marat beschloss einzugreifen, bevor die Situation außer Kontrolle geriet. Daher trat er auf Marie zu und verbeugte sich vor ihr. »Ihr seid eine mutige Frau, weil Ihr Euch in diese vom Krieg beherrschte Gegend wagt.«
    Bislang hatte Marie sich wie in einem schlechten Traum gewähnt, spürte aber instinktiv, dass dieser fremdartig aussehende Mann ihr das Unbegreifliche erklären konnte. »Was wäre ich für eine Frau, wenn ich nicht nach meinem Mann suchen würde, wenn es heißt, er sei verschollen oder tot.«
    »Tot ist der Němec – oder Michel, wie Ihr ihn nennt – auf jeden Fall nicht«, sagte Marat mit sanfter Stimme. »Dennoch ist er nicht mehr der Mann, den Ihr kennt.«
    Mit einer fürsorglichen Geste griff er Michel an den Kopf und schob eine Haarsträhne beiseite, so dass Marie die Narbe sehen konnte, welche Hettenheims Kugel hinterlassen hatte.
    »Diese Wunde raubte Eurem Mann das Gedächtnis«, begann er und wurde von Janka heftig unterbrochen.
    »Er ist nicht ihr Mann!«
    Marat begriff, dass es unmöglich sein würde, mit Michels Frau zu sprechen, solange Janka dabei war. Daher klopfte er seinem Freund auf die Schulter. »Bring die Komtesse zur Burg zurück. Ich kümmere mich unterdessen um diese Dame.«
    »Sie ist keine Dame von Stand. Sieh doch, wie sie aussieht! In Männerkleidern! Wie abstoßend!« Janka war kurz davor, noch ausfälliger zu werden.
    Daher stieg Michel wieder auf sein Pferd, fasste den Zügel von Jankas Stute und ritt los. Das Letzte, was Marie sah, war der Blick der Komtesse,

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