Die Rache Der Wanderhure
kämpfen. Immerhin sind wir gegen Vyszos Männer im Vorteil. Haben wir uns diese vom Hals geschafft, können uns auch Sigismunds deutsche Ritter nicht mehr schrecken.«
»Du sprichst wohl von den Waffen, die euch der König hat zukommen lassen?«, fragte Marie.
Die anderen sahen sie erstaunt an. Bevor jedoch einer eine Frage stellen konnte, setzte sie ihre Rede fort. »Vyszo weiß davon, doch sie scheinen ihm keine Angst einzuflößen.«
»Wahrscheinlich hat er von Sigismunds Verrat erfahren«, stieß Michel zornig hervor. »Der König will die Hussiten auf uns hetzen, um hinterher die Reste des Siegers vernichten zu können. Doch er wird eine arge Überraschung erleben.«
»Sigismund hat euch nicht verraten!«, wandte Marie mit Nachdruck ein.
»Ach nein? Warum hat er uns dann unbrauchbare Waffen geschickt?« Im Augenblick wurde das Gespräch zu einem Duell zwischen Marie und Michel, der sich mit aller Kraft an seine Loyalität zu Sokolny klammerte.
»Es war mit Sicherheit nicht Sigismund. Er wünscht Frieden mit euch und mit Fürst Vyszo«, konterte Marie gelassen. »Ich nehme an, dass Ruppertus dahintersteckt. Der Kerl war bei Fürst Vyszo, um ihn zum Angriff auf Sokolny anzustacheln und um …« Sie hatte noch sagen wollen: … und um mich zu fangen, schluckte dies aber im letzten Augenblick hinunter. Das war etwas, das nur Michel und sie anging.
Da sie die zweifelnden Mienen Sokolnys und seiner Getreuen sah, zog sie Sigismunds Ring aus ihrem Ausschnitt, nahm ihn von der Kette und reichte ihn dem Grafen mit den Worten: »Hier ist das Siegel des Königs als Zeichen seiner Aufrichtigkeit und als Unterpfand für die Unabhängigkeit der Grafschaft Sokolny für alle Zeiten.«
»Und was ist mit Vyszo?«, fragte Michel barsch.
»Solange Fürst Vyszo befürchten muss, dass Sokolny sich mit dem König verbündet und den deutschen Heeren den Weg in das Herzland seines Gebiets öffnet, muss er die Grenze mit einer starken Militärmacht schützen. Sobald er die Gewähr hat, dass Sokolny neutral bleibt, kann er den größten Teil seiner Soldaten nach Hause schicken, damit sie ihre Felder bestellen.«
»Aber er ist nur einer von mehreren Anführern der Hussiten!«, wandte Sokolny ein.
»Fürst Vyszo ist kein fanatischer Taborit, sondern ein Kalixtiner und als solcher bereit, sich mit Euch und dem König zu einigen, wenn sein Glaube und der seiner Männer respektiert wird.« Maries Stimme klang beschwörend.
Dann erst erinnerte sie sich an die Zeitspanne, die Sigismund ihr nur zugestanden hatte, und senkte den Kopf. »Ich bin lange vor dem letzten Vollmond aufgebrochen. Wahrscheinlich komme ich bereits zu spät.«
Sokolny schüttelte den Kopf. »Nein, Ihr kommt gerade zur rechten Zeit. Vyszo bereitet seinen Angriff vor, und es könnte noch möglich sein, ihn davon abzuhalten.«
Der Graf war des langen, blutigen Krieges müde und sehnte sich nach Frieden. Auch spürte er sein Alter und wusste, dass ihm nicht mehr viele Jahre blieben, in denen er sein Schwert schwingen konnte. Daher wünschte er nichts mehr, als seiner Tochter das Land in Frieden übergeben zu können.
Im Gegensatz zum Grafen sah Michel die Chance, Sokolnys Unabhängigkeit im Kampf durchzusetzen, und verstieg sich zu einem leidenschaftlichen Appell.
»Mein Herr, weder die Hussiten noch der König wissen, dass die Handbüchsen wieder schussfähig sind. Mit dieser Feuerkraft brauchen wir keinen Handel mit unseren Feinden. Lasst uns diesen Vorteil nutzen. Wenn wir Vyszo überzeugend schlagen, werden wir Sigismund so beeindrucken, dass er bereit ist, einen Frieden zu unseren Bedingungen zu schließen!«
»Und im nächsten Jahr habt Ihr anstelle von Fürst Vyszo und seinen Truppen ein fanatisches Taboriten-Heer an Euren Grenzen, dessen Anführer nur eines kennen: verbrannte Erde zu hinterlassen!«, gab Marie zu bedenken. »Selbst in dieser Einsamkeit müsstet Ihr erfahren haben, dass die Hussiten sich nicht einig sind. Es gibt zwei Gruppierungen bei ihnen, die Taboriten, die erst vor kurzem Sachsen und Österreich verheert haben, und die Kelchbrüder oder Kalixtiner, zu denen Fürst Vyszo zählt.«
Dann richtete sie ihren Blick auf Michel und sah ihn vorwurfsvoll an. »Ist zu kämpfen alles, was du hier gefunden hast, Němec? Dabei bist du hier in einem Land von Menschen, die sich keinem Zwang der Religion beugen und frei im Geiste sind.«
»Was wisst Ihr vom freien Geist?«, fragte Michel, der sich mehr denn je als Gefangener und Spielball des
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