Die Rache der Zwerge
verwahrlosten Tungdil den Zwerg von vor fünf Zyklen zu sehen. Wenn ein Kind des Schmieds sein Kettenhemd rosten ließ, war das ein übles Zeichen. Nun, es würde sich gewiss eine Gelegenheit ergeben, ihn darauf anzusprechen. Doch nicht jetzt. Er nahm den Helm ab, unter dem sein langes, dunkelbraunes Haare zum Vorschein kam. »Die Dritten tun, was sie am besten können: Sie bilden uns im Kämpfen aus. Und sie sind unglaublich gut darin.« Er lächelte. »Komm. Wir haben eine Überraschung für dich.«
Sie schritten durch das Tor.
Auf der anderen Seite erwartete Tungdil ein bewegender Empfang. Zwerginnen und Zwerge jeden Alters säumten den Weg bis zum Eingang in den Berg. Er blickte in fröhliche, lachende Gesichter. Sie freuten sich über seinen Besuch, bejubelten ihn, klatschten. Musikanten standen verteilt auf dem Pfad, auf den Türmen und Mauern. Ihm zu Ehren ertönten Krummhörner und Flöten, den Takt zu der Weise schlugen Zwerge gegen ihre Schilde. Es herrschte eine unfassbare Begeisterung, die einzig ihm galt und ihn wie flüssiges Gold umschmeichelte.
»Es hat sich schnell herumgesprochen, dass du uns besuchst«, meinte Gandogar grinsend. Er freute sich über die gelungene Überrumpelung. »Sie hatten Sehnsucht nach dem größten Helden des Zwergenvolkes.« »Bei Vraccas!« Tungdil spürte die Rührung als Trockenheit und leichten Druck in seiner Kehle. »Man könnte meinen, ich kehrte aus einer siegreichen Schlacht zurück.« Seine Augen schweiften über die freudigen Gesichter der Männer, Frauen und Kinder, die es sich nicht hatten nehmen lassen, ihm ein herzliches Willkommen zu bereiten. Und das, obwohl er fünf Zyklen abgeschieden im Stollen seines Ziehvaters gelebt hatte. Andererseits bedeuteten fünf Zyklen für einen Zwerg nicht die Welt.
Er winkte ihnen zu, während er an der Seite des Großkönigs durch das Spalier schritt. »Danke«, rief er froh. »Danke euch allen!«
Der Beifall schwoll an, sie riefen seinen Namen.
Dabei hätte es leicht zu einem Spießrutenlauf werden können. Denn seine Gemahlin Balyndis war einst die Gattin Glaimbar Scharfklinges aus dem Clan der Eisendrücker vom Stamm Borengars gewesen. Und dieser war nunmehr kein Geringerer als König der Fünften.
Ihm zu begegnen, stellte die größte Herausforderung seines Besuchs dar. Die Bewohner des Grauen Gebirges sahen es ihm offenkundig nach, dass er und Balyndis zusammengefunden hatten, aber mussten es gleich dermaßen viele sein? Er lächelte ihnen tapfer zu und atmete auf, als sie in den riesigen Gang eintraten, der ins Innere des Massivs führte.
Gandogar blieb am Eingang stehen; er bemerkte, dass Tungdils Freude inmitten des heiteren Trubels nicht ungetrübt war. »Wie fühlst du dich?«
Der Zwerg antwortete nicht sofort. »Seltsam. Einerseits singt mein Herz wie klingendes Eisen auf dem Amboss unter dem Hammer eines Schmieds. Andererseits ...« Er brach ab, schwieg nachdenklich und räusperte sich. »Ich schätze, ich bin es nicht mehr gewohnt, so viele Zwerge um mich zu haben, Gandogar.« Er lächelte entschuldigend, hob die Hand und winkte. »Gewöhnlich ist es nur eine Zwergin.«
»Ich verstehe dich. Zum Teil«, räumte Gandogar ein. »Wie du abseits jeglicher Gemeinschaft leben kannst, ist mir ein Rätsel. Viele fremde Gesichter um sich zu haben, kann einem schon Angst machen.« Er zwinkerte. »Ich weiß, wovon ich spreche. Der Clan meiner Gemahlin ist riesig. Ich fürchte mich vor ihren Familienfeiern.« Tungdil lachte. Währenddessen nahm einer der Zwerge die Zügel seines getreuen Ponys entgegen und versprach die sorgfältigste Pflege. Tungdil und der Großkönig gingen weiter durch die Korridore, Gänge und Kammern; die Musik und die Rufe der Zwergenmenge wurden leise und leiser.
Tungil erinnerte sich... Hier hatten er und seine Freunde damals nichts als Staub und Unrat vorgefunden. Nach der Vernichtung des Stammes der Fünften hatten die Scheusale des Gottes Tion hunderte von Sonnenzyklen in den Bergen geherrscht.
Damit war es nun vorbei. Die Abordnung aus allen Zwergenstämmen war eingetroffen und hatte nach dem Sieg neues Leben gebracht. Das Graue Gebirge pulsierte, Tungdil hörte das helle Lachen von Kinderstimmen. Der Klang schmerzte ihn.
»Wir haben uns nicht darauf beschränkt, die Schäden am Gestein und in den unzähligen Kammern auszubessern«, hörte er eine männliche Stimme aus einem Nebengang. Ein Zwerg trat samt seinem Gefolge heraus. »Wir haben neue Hallen geschaffen. Neue Hallen für den Nachwuchs,
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