Die Rache der Zwerge
nachtfarbener Mantel, der ihn schützend umhüllte; die Hände, die ihre blasse Linke hielten, steckten in schwarzen Samthandschuhen. Die Sintoi trug die gleichen Gewänder wie er.
»Ich sehe dein wunderschönes Gesicht, berühre dein schwarzes Haar und kann nicht glauben, was uns geschehen ist. Selbst nach fünf Zyklen nicht.« Seine anmutigen Züge, vor denen die Menschen aus Verzückung in den Staub gesunken wären, verdunkelten sich. Es gab nichts Schöneres als ihn. Außer seiner Schwester. Seiner geliebten Schwester Nagsar Inäste.
»Inäste und Samusin haben uns verlassen, geliebte Schwester. Wir sind unsere eigenen Götter.« Seine schwarzen Augenhöhlen richteten sich geringschätzig auf die grob behauene Decke der kargen Unterkunft. Grässlich. Nichts war vollkommen, nicht einmal die Wände. Die verkommenen Orks taugten zu nichts. »Das hier war noch niemals ein Ort für uns. Verzeih mir, dass ich dich hierher brachte. Es lag nicht in meiner Absicht, aber ich war zu schwach.« Seine rechte Hand fuhr über ihre Stirn und richtete das offene Haar. Selbst in diesem Zustand der völligen Starre übertraf ihre Schönheit die jeder Elbin. Schwache Geschöpfe starben schlicht bei ihrem Anblick, starke verloren den Verstand. »Wenn du erwacht bist, begeben wir uns im Jenseitigen Land auf die Suche nach einem Reich, in dem wir herrschen werden. Dagegen wird Dson Balsur klein und unbedeutend erscheinen.« Er lächelte sie an, und selbst der Fels schien das Geschöpf zu bewundern. »Erinnerst du dich? Ich habe dir eine neue Bleibe versprochen.
Sie ist endlich fertig geworden.« Behutsam hob er sie an und trug sie auf seinen Armen durch die finsteren Gänge des entvölkerten Orkreiches. Er war schlank, doch alles andere als schwach. Tausende Gegner hatten für ihre falsche Einschätzung mit dem Leben bezahlt. »Ich zeige sie dir.«
Der Unauslöschliche verursachte nicht das geringste Geräusch beim Gehen, lediglich der Mantel raschelte leise, weil er über den Stein schleifte. »Sie wird dir gefallen, Schwester. Es ist der einzige Raum in dieser verpesteten Erde, den ich dir für die kommenden Umläufe, in denen du in deiner Starre liegst, zumuten möchte.« Er lief an unzähligen Stolleneinmündungen vorbei, wusste jedoch genau, wohin er sich zu wenden hatte. Sein Weg endete im Durchgang zu einer Kuppelhöhle, die er für sie gestaltet hatte. Die Luft war kühl und rein und nicht länger durchsetzt von brütender Hitze und dem Gestank der Orks. »Wir sind da«, sagte er sanft. Die Kaverne maß fünfzig mal fünfzig Schritt, in vierzig Schritt Höhe lag ihr höchster Punkt. Von dort stach ein finsterer, mächtiger Stalaktit herab, als sei es die Spitze eines titanischen Schwertes, das ein Riese durch den Berg gerammt hatte; das spitze Ende deutete auf einen Altar aus schwarzem Basalt, zu dem vier Stufen hinaufführten. Albische Runen zierten ihn, sie berichteten von der unvergänglichen Schönheit Nagsar Inästes. »Ich habe die Wände glatt geschliffen, damit die Farbe besser haftet«, sagte er zu der Schlafenden und betrachtete die verschnörkelten Malereien, die sich bis hinauf zum Stalaktiten zogen. Sie zeigten Dsön, wie es vor dem Brand ausgesehen hatte, in seiner ganzen Pracht und mit dem Turm aus Elbenbein. Auch wenn die Hauptstadt ihres Reiches vergangen war, lebte sie als Bildnis an den Wänden fort.
Der Unauslöschliche ging auf den Altar zu und schritt über die zahllosen Gebeine von Orks, die den Boden bedeckten. Die Knochen verschoben sich kaum unter seinen Sohlen und klickten hölzern.
»Hörst du, Schwester? Ich habe sie alle getötet. Ihr minderwertiges Blut diente mir für meine Wandgemälde. Sie haben für das gezahlt, was sie dir angetan haben«, sprach er zu ihr. »Ich wünschte, ich wäre früher aus meinem Schlaf erwacht, um deine Schän düngen zu verhindern.« Er betrat die Stufen, erreichte den Altar und bettete sie vorsichtig darauf. Liebevoll legte er ihre Arme gefaltet in den Schoß, richtete ihr Gewand und begab sich zu ihren Füßen. »Ich werde es mir niemals verzeihen, dass sie dich berührt und deinen Leib beleidigt haben«, raunte er und verneigte sich tief vor ihr, küsste ihre Stiefelspitzen.
Wie immer zeigte sich auf ihrem Antlitz nicht die geringste Regung. Es gab nicht den kleinsten Hinweis, ob sie ihn hören konnte.
»Es dauert nicht mehr lange, geliebte Schwester«, versprach der Unauslöschliche. »Ich habe mich den Menschen gezeigt. Sie werden ihre Krieger hierher senden, wie
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