Die Rache der Zwerge
Der Kampf gegen den Unauslöschlichen hat mich wachgerüttelt.«
»Dann belassen wir es dabei«, fasste Tungdil zusammen und streckte sich. »Wir gehen ins Jenseitige Land und setzen den Diamanten ein. Danach mögen die Götter, Ubar und Vraccas, zeigen, was sie für uns zu tun gedenken, denn wir haben alles unternommen, um Unheil abzuwenden.« Er stand auf und schritt zur Tür. »Entschuldigt mich für einen Augenblick.«
»Zwergenwasser für Elria?«, grinste ihm Rodario hinterher. »Sei nicht so unfreundlich zu der Göttin. Sie hat uns mehrmals verschont.«
Tungdil lachte und verließ die Kajüte, um seinen Urin abzuschlagen. Dazu hatte er sich den Bug auserkoren. Elrias Gnade hin oder her - das eigene Wasser drängte mit Macht aus seinem Körper.
Nachdem er sich erleichtert hatte, blieb er am Bug stehen, spürte das sanfte Heben und Senken des Rumpfes und ließ sich die klare Luft um die Nase wehen.
Für ihn war das Element Wasser nach wie vor unheimlich, andere seines Volkes weigerten sich gänzlich, sich einem See zu nähern oder in einen Bach, ja sogar in eine tiefere Pfütze zu treten.
per Fluch Elrias verfolgte sie, dachten sie. Die Untergründigen schienen die Seefahrt dagegen für sich erkoren zu haben. Welch ein Unterschied.
Er schaute über die sanft wogende Oberfläche. Sie sah aus wie flüssig gewordene Nacht, die vom Himmel getropft war und sich auf der Erde gesammelt hatte.
»Ich beglückwünsche dich zu deinem Sieg über meinen Schöpfer«, sagte eine klare, leise Stimme hinter ihm, und Tungdil erkannte sie sofort: Der Tod war zu ihm zurückgekehrt.
Er wandte sich langsam um und sah den Alb im Dunkeln neben der Kiste mit den Ersatzsegeln. Er hockte im Schneidersitz, der Speer lag vor seinen Füßen, seine Rüstung zeichnete schwarze Flecken auf die ansonsten helle Haut. Die langen Haare fielen ihm ins Gesicht, die Panzerhandschuhe ruhten auf seinen Knien und hielten eine abgeschnittene schwarze Strähne. »Was tut ihr nun?«
Tungdil dachte daran, dass er lediglich einen Dolch mit sich führte. »Wie ist dein Name?«
»Mein Schöpfer gab mir keinen. Er sagte, meine Feinde würden mir einen geben, der zu mir passt.« Er ließ Tungdil nicht aus den Augen, war aufmerksam, ohne dabei angriffslustig oder nervös zu wirken. Er schien sich seiner Stärke bewusst. »Aber die Namen, die ich bisher hörte, gefielen mir nicht. Niemand möchte wie ein Fluch oder ein Schimpfwort heißen. Daher habe Aiphatön gewählt. Wie der Stern.« Er hob seinen rechten Arm und zeigte zum Himmel, an dem es glitzerte und funkelte. »Es ist der Lebensstern der Elben. Mein Schöpfer sagte, der Stern verdunkle sich, wann immer ein Elb im Geborgenen Land sterbe. In den vergangenen Umläufen habe ich ihn gar nicht mehr gesehen. Etwas geschieht mit den Elben.«
»Die meisten von ihnen führen Krieg, und sie werden vermutlich vernichtet. Weil sie Verrat am Geborgenen Land begangen haben«, erklärte ihm Tungdil. »Du hältst dich für einen Elben?«
»Ich sehe aus wie ein Elb. Bin ich denn keiner?«, kam die verwunderte Frage.
»Was hat dein Schöpfer dir gesagt, was du bist?«
»Gar nichts. Aber er und meine Schöpferin sahen auch aus wie Elben.« Er senkte das Haupt, die Haare verdeckten sein Antlitz vollständig. »Ich bin froh, dass er tot ist. Er verlangte und tat wider- liehe Dinge.« Seine metallene Hand fuhr über die ins Fleisch genähten Tioniumplatten, ein leises metallisches Schaben ertönte.
»Hast du uns deswegen gesagt, wohin dein Schöpfer gehen will?«
»Ja. Ich ahnte, dass ihr ihn überwinden könnt. Mir war es nicht vergönnt.« Er hob wieder den Kopf. »Was tut ihr nun?«
»Wir ...« Tungdil stockte. Der Alb wusste nicht, dass er als der ärgste Widersacher der Elben geboren worden war. Es konnte ebenso gut sein, dass er ein niederträchtiges Spiel betrieb, um ihn zu täuschen, und in Wahrheit ein ebenso furchtbares Ziel verfolgte wie die Unauslöschlichen. Aber wenn es ihm um den Diamanten ging, weswegen griff er nicht an?
»Du vertraust mir nicht, obwohl ich dir in Toboribor das Leben geschenkt habe? Dir den Aufenthaltsort meines Schöpfers genannt habe? Und du immer noch lebst, obwohl es mir ein Leichtes gewesen wäre, dich zu töten und über Bord zu werfen?« Er stand auf, eine schnelle, elegante Bewegung, die Kraft und Geschmeidigkeit in sich vereinte. »Dann will ich dir sagen, was ich möchte. Bring mich zu den Elben, die anders sind als meine Schöpfer. Ich weiß, dass es Elben gibt, die gut und freundlich
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