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Die Rache der Zwerge

Die Rache der Zwerge

Titel: Die Rache der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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»Sicher weiß ich, wer das ist.« Der Weinhändler füllte eine Kanne aus einem Fass nach und verhinderte, dass Rodarios Gedanken in Melancholie abglitten. »Nolik, der Sohn von Leslang, dem reichsten Mann von Sturmtal. Er und sein Vater besitzen einen Steinbruch, aus dem der beste Marmor Gauragars gewonnen wird. König Bruron ist ein persönlicher Freund.«
»Und dennoch keine Manieren, der Mann.« Rodario biss ab. »Da lässt er seine Frau als Waschweib schuften?« Der Händler schaute sich kurz um, ehe er weitersprach. »Nolik ist ein schlechter Mensch. Ich weiß nicht, wie er an das Herz von Tassia geraten ist. Mit rechten Dingen wird es nicht zugegangen sein.«
»Oh, verstehe einer die Frauen. Vielleicht sind seine inneren Werte aus Gold, im Gegensatz zu seinem Verhalten?« Rodario verdrehte die Augen. »Diese Fladen sind aus-ge-zeich-net«, lobte er mit vollem Mund und jonglierte den Bissen von rechts nach links, »aber zu heiß!« Er löschte mit Wein und seufzte glücklich. Der Mann lachte so laut auf, dass die Umstehenden zu ihnen schauten. »Nolik und innere Werte? Nein, sicherlich nicht.« Leiser fügte er hinzu: »Tassias Familie hatte Schulden bei seinem Vater. Muss ich mehr andeuten?«
»Nein.« Rodario kaute seinen letzten Happen, nahm Kanne und Becher und schlenderte weiter. »Denkt an meinen Wein!« Er hob seine beiden Beutestücke. »Ihr bekommt sie heute Abend wieder, wenn Ihr ihn mir liefert«, beruhigte er den Mann.
Rodario liebte es, inmitten von Geschäftigkeit umherzuschlendern, denn sie bedeutete Leben. Vom Tod hatte er genug, Heldentaten hin oder her. Er war Schauspieler, begnadeter Mime und exzellenter Frauenbeglücker, wie es sonst keinen im Geborgenen Land gab. Und für beide Aufgaben benötigte er Menschen, die für seine von den Göttern überantworteten Gaben empfänglich waren.
Dass er sein Theaterhaus in Porista aufgegeben hatte, hatte einen anderen Grund: das gesuchte Gesicht in der Menge. Das Gesicht von Furgas.
Der Freund, mit dem er so lange Zeit gemeinsam durch die Lande gezogen war, war über den Tod seiner Gefährtin Narmora verzweifelt und seit dem Sieg über die Eoil und dem Gespräch mit Tungdil unauffindbar geblieben.
Das war vor fünf Zyklen gewesen.
Seitdem reiste Rodario durch die Königreiche des Geborgenen Landes und tat in jeder Stadt, in jedem Dorf und in jeder Siedlung, die er passierte, das Gleiche: Er fragte die Menschen nach Furgas und zeigte ihnen dessen Bildnis, das er hatte anfertigen lassen. Ohne Erfolg.
Doch er gab einfach nicht auf. Auch nicht in Sturmtal, wo er nichts als Kopfschütteln erntete, als er das gemalte Antlitz seines Freundes in Gasthäusern, auf dem Markt und bei den Torwärtern herumzeigte. Rodario machte sich ernsthafte Gedanken um seinen verschollenen Freund. Dazu kam die Sorge um die vielen Apparate, die Furgas ersonnen hatte und die er während der Vorstellungen am Körper trug: Bärlappsamenschleudern, mit denen er Feuerbälle schuf, kleine Taschen aus schwarzem Leder, in dem die Papierblumen bis zu ihrem Einsatz warteten, und viele andere Behältnisse, in denen Pülverchen steckten. Es waren die ausgetüftelten Erfin düngen, die ihn vor den Augen der Zuschauer zum Magus machten und die einmaligen Spektakel erlaubten. Er fürchtete sich vor dem Tag, an dem seine Utensilien endgültig kaputt gingen. Bislang hatte er kleinere Defekte irgendwie Flickschustern können, aber das würde sicherlich irgendwann ein Ende nehmen. So kehrte Rodario mit dem üblichen, aber durchaus überwindbaren Gefühl der Niedergeschlagenheit zu dem Lagerplatz seiner Truppe zurück und spielte sich auf der Bühne den Kummer von der Seele. Und die Menschen liebten ihn und hielten ihn für einen stets heiteren Schauspieler, weil sie nicht hinter die Fassade des Mannes zu schauen vermochten.
Die Vorstellung endete in einem Triumph und einem kolossalen Gewitter, das einmal mehr bewies, weshalb Sturmtal seinen Namen trug, und nebenbei die Haltetaue des Zuschauerzeltes auf eine harte Probe stellte. Die Stoffwände wogten hin und her und vermittelten denen, die im Innern saßen, ein Gefühl, als befänden sie sich in einem in Unruhe geratenen Gedärm. Kaum verklang der Applaus, rannten die Menschen nach Hause, zurück in die Stadt und in den Schutz ihrer sicheren Häuser. Der Verkauf von Eoilhauch in Flakons war auch schon besser gewesen.
Rodario zog sich in seinen kleinen, mit mystisch anmutenden Zeichen bemalten Wohnwagen zurück, in dem er sich auf seine Auftritte

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