Die Rache der Zwerge
beschwörend.
Der Junge wurde bleich und drückte sich an seine Mutter, die ihm lachend durch das Haar fuhr. Rodario feuerte eine weitere Ladung Flammen in den sich verdüsternden Himmel, der ihm und den Bewohnern ein Frühlingsunwetter versprach. Für die Stimmung im Zelt wären ein wenig Blitz und Donner sicherlich gut. »Gebt Acht: Die ersten zwanzig Spectatores erhalten einen Becher Wein kostenlos und ein Gläschen mit einem Hauch des Nebels der Eoil darin! Schaut ihn euch gut an und schaudert! Doch wagt es nicht, den Korken zu entfernen, denn sonst...« Er ließ die Drohung unausgesprochen und beschränkte sich auf eine warnende, geheimnistuerische Miene.
Seine braunen Augen schweiften über die Menge, die gebannt an seinen Lippen hing. Er hatte es wie immer geschafft, sie mit seinen Worten, seinem Charme und seinen Offerten in den Bann zu schlagen. Wie an jedem Ort suchte er ein vertrautes Gesicht in der Masse; und wie immer seit fünf Zyklen konnte er es nicht entdecken. Schließlich fiel ihm eine bildhübsche Frau auf, die in der zweiten Reihe stand und ihn anschaute. Das wiederum sorgte bei ihm für Hochstimmung und rang die aufkeimende Enttäuschung nieder.
Sie mochte Anfang zwanzig sein, war hoch gewachsen und von anziehendem Äußeren. Alles an ihr stimmte und saß dort, wo es sich für ein Weib gehörte, auch wenn es für ihn etwas mehr Oberweite im DekoUetee hätte sein können. Sie trug die langen blonden Haare offen, das Gesicht war schmal und ausdrucksstark, die grünen Augen schauten aufmerksam. Er hätte sie als Edeldame eingeschätzt - wenn da nicht der Wäschekorb in ihren Händen und die abgetragenen Kleider an ihrem Leib gewesen wären.
Eine seltsame Sehnsucht stand in ihrem Antlitz; weniger schien sie ihn als Mann zu begehren, sondern viel mehr nach dem zu trachten, was er tat. Rodario wusste, was diese Sehnsucht bedeutete. Er hatte mit dem gleichen Gesichtsausdruck vor vielen Zyklen vor dem Eingang eines Theaters gestanden und sich nichts Sehnlicheres gewünscht, als auf der Bühne zu stehen. So war es gekommen.
Er nahm es als Wink der Götter. Seinem Gefühl folgend, sprang er vom Brunnenrand und landete genau vor ihr. Dann verbeugte er sich tief und zauberte dank seiner enormen Fingerfertigkeit und sorgfältiger Vorbereitung eine schwarzgrüne Papierblume wie aus dem Nichts in seine Hand.
»Zeigt diese heute Abend am Einlass, und Ihr werdet nichts zahlen müssen«, sagte er lächelnd, hob eine Augenbraue und warf ihr den berüchtigten Verführerblick zu, dem noch keine widerstanden hatte. »Verratet mir Euren Namen, Schönheit von Sturmtal.«
Sie nahm die Blume zögernd entgegen. Doch da schob sich ein junger Mann vor sie, riss ihr die Gabe aus der Hand und warf sie auf die Erde. »Behalte deine Schmeicheleien für dich, Aufschneider«, warnte er Rodario unmissverständlich, und mit dem Schuh zertrat er das Papier.
»Es ist nicht nett, dass Ihr Euch in meine Unterhaltung mischt, mein Herr«, sagte Rodario liebenswürdig. »Das war keine Unterhaltung, du Geck! Du hast meiner Gemahlin schöne Augen gemacht«, gab er zornig zurück und hob die geballte Faust vor die Nase des Schauspielers. »Mach das noch einmal, und ich verpasse dir ein Veilchen. Aber keines aus Papier.«
»Nein?« Rodario beugte sich flugs nach vorn und tat so, als zöge er dem Mann etwas aus dem Ohr. Zwischen seinen Fingern erschien - sehr zum Vergnügen der Spectatores - eine weitere Papierblume. »Dabei hättet Ihr noch eines besessen.« Er reichte die Blume der Frau. »Hier, Gnädigste. Mit den besten Empfehlungen Eures Gatten. Er ist gesegnet, denn nicht jedem wachsen die Blümelein aus dem Kopf. Sein Ohrenschmalz ist furchtbar ... ich wollte sagen fruchtbar, wie mir scheint.« Wütend schnappte der Mann danach, bevor seine Gattin sie nehmen konnte, und schleuderte auch sie in den Dreck. »Das genügt!«, rief er aufgebracht. »Dafür wirst du bezahlen.«
Rodario täuschte sogleich vor, ihm etwas aus dem geöffneten Mund zu nehmen, und hielt eine Münze in die Höhe. »Aber wozu? Ihr seid doch dermaßen reich, dass Euch das Geld schon aus dem Schlund steigt.« Nun lachten die Leute laut über die Darbietung, es wurde gerufen und gejohlt. Natürlich stand der Mann im Mittelpunkt des Spotts. Das durfte er sich um seiner Ehre willen nicht länger bieten lassen. »Ich stecke sie dir in deinen gepuderten Arsch!«, schrie er und griff an.
Rodario wich dem ungestümen Schlag aus, schob den Gehstock rasch zwischen die Beine des
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