Die Rache der Zwerge
begangen haben.« Er verlas die Zeilen, in denen die Begebenheiten in den drei Königreichen ausführlich niedergeschrieben waren. Die Gäste lauschten entsetzt; die Angriffe dieser Maschine im Roten Gebirge blieben nicht unerwähnt. »Das Böse hat wieder Fuß gefasst und reckt seine gierigen Klauen nach der Macht«, schloss Tiwalün.
»Wir reisen morgen früh ab«, sagte Tungdil aufgeregt. Unter diesen Umständen durfte sein Stein, den Gandogar ihm damals überlassen hatte und der in einem sicheren Versteck im Stollen verwahrt lag, nicht ohne Aufsicht bleiben. Er fürchtete um das Wohl seiner Gemahlin Balyndis, die von den Vorgängen sicherlich noch nichts gehört hatte. Wenn die unbekannten Räuber die Steine in den König- und Zwergenreichen aufspürten, gelang ihnen dieses Kunststück sicherlich auch in einem vergleichsweise einfach einzunehmenden Stollen. Die einzige und damit hoffnungslos unterlegene Soldatin war Balyndis. »Aber wir haben doch die Mission ...«, versuchte Boindil zu widersprechen, bis ihm einfiel, dass sein Freund einen der Diamanten besaß. »Vergiss meine Worte, Gelehrter. Die Ponys werden uns schnell wie der Wind zu dir nach Hause tragen.«
Tungdil erhob sich vom Tisch. »Wir wollen nicht unhöflich sein, Tiwalün und Vilanoil. Wir begeben uns besser zur Ruhe. Die folgenden Umläufe werden hart für uns. Richtet Fürst Liütasil unsere allerherzlichsten Grüße aus. Ich nehme an, dass wir ihn bald bei der Versammlung der Herrscher treffen.«
Tiwalün wirkte zutiefst erleichtert, als er von dem Abreisevorhaben der Zwerge hörte. »Sicherlich. Er wird Verständnis für Euer Handeln haben. Ich lasse Euch Proviant richten, damit Ihr morgen aufbrechen könnt, sobald Ihr mögt.« Er stand ebenfalls auf und verneigte sich. »Ich hätte mir einen friedlicheren Ausklang für Euren Besuch in Älandur gewünscht, doch die Götter haben uns eine neue Prüfung gesandt.« Er lächelte. »Ihr werdet sicherlich wieder eine wichtige Rolle dabei spielen, oder was denkt Ihr?«
»Ich könnte darauf verzichten«, entgegnete Tungdil ehrlich. »Doch wenn mein Volk und das Geborgene Land mich benötigen, werde ich zur Stelle sein.« Er schritt zum Ausgang, Ingrimmsch nahm sich eine beladene Schüssel mit und folgte ihm.
Tiwalün und Vilanoil verfolgten die beiden mit Blicken, bis sich die Tür hinter ihnen schloss, dann langte Tiwalün nach dem Wein und goss sich ein Glas bis zum Rand voll. Er hatte die verborgenen Anweisungen im Brief lesen können; der Zwerg hatte ihn am Morgen im Zelt erst durch sein Sprechen bemerkt. Umso gelegener kam die schlechte Nachricht, welche die ungeliebten Gäste von selbst aus Älandur trieb.
Dass sie den Monolithen gesehen hatten, war ein gehöriger Fehler gewesen, und um ein Haar wäre es noch schlimmer gekommen.
Tiwalün hob den Kelch. »Sitalia, auf dein Wohl. Ich trinke dir und deinen reinsten Kreaturen zu Ehren.« Zeremonienhaft führte er den Rand an die Lippen, nippte dreimal daran und leerte den Rest auf die Erde. »Mögen die Eoil eines Tages zurückkehren und die Herrschaft übernehmen.«
Vilanoil lächelte.
Und doch tat sich etwas in dieser Nacht.
Boindil hatte es sich trotz seiner Müdigkeit nicht nehmen lassen, auf eigene Faust loszuziehen und sich den weißen Stein aus der Nähe zu betrachten, den Tiwalün vehement vor ihm abgeschirmt hatte. Da sie Älandur am folgenden Umlauf sowieso verlassen würden, konnte er es wagen, bei seiner heimlichen Untersuchung erwischt zu werden. Was sollte ihm dann noch geschehen? Sie würden ihm sicherlich nicht gleich den Kopf abschlagen. Weder beherrschte noch mochte er die Heimlichkeit, aber es ging nicht anders. Er hatte sogar die Stiefel mit den harten Sohlen ausgezogen und das Kettenhemd abgelegt. Vollkommen nackt, so fühlte er sich zumindest, pirschte er durch den Baumpalast, in dem sich niemand außer ihnen aufzuhalten schien. Zwar hatte er geglaubt, sich den Weg in die Halle gemerkt zu haben, doch nach einer Weile verlief er sich und streifte orientierungslos umher. Unter der Erde wäre ihm das sicherlich nicht passiert, dort fand er sich immer zurecht. »Verdammte Bäume. Einer sieht aus wie der andere«, grummelte er und bog beim nächsten Korridor nach links. Zunächst hatte er sich gefreut, keinem Elbenwächter zu begegnen, inzwischen machte ihn dieser Umstand stutzig. Es war immerhin eine der Residenzen des Fürsten, und sie sollte von Bediensteten wimmeln. Mutig öffnete er die nächstbeste Tür und sah in einen leeren
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