Die Rache der Zwerge
Raum; Sternenlicht fiel in das verwaiste Zimmer, ein wenig Staub und ein paar Blätter hatten sich auf dem Boden angesammelt. Kein Bett, kein Schrank, keine Kleider, nichts.
Boindil schlich weiter durch den Palast und wiederholte sein Vorgehen. Nicht ein einziges Mal stieß er auf bewohnte Kammern. Der Palast war zu einem Geisterhort geworden.
Durch Zufall gelangte er in die große Halle, in welcher der weiße Monolith stand und sich herrschaftlich zur Decke reckte.
Obwohl kein Licht brannte, verbreitete der Stein Helligkeit, als habe er sie tagsüber gespeichert und gebe sie in der Dunkelheit ab.
»Da bist du ja, Steinchen«, grinste er. Er trat näher heran, umrundete ihn langsam und begutachtete ihn eindringlich. Es gab keine Fuge, nicht einmal einen winzigen Kratzer, jedenfalls nicht auf der Höhe des Steins, die der Zwerg betrachten konnte. Glatt wie Glas schimmerte die weiße Oberfläche, und Boindil reckte die Hand, um sie berühren.
Als seine Haut auf den Stein traf, wunderte er sich, wie warm sich der Monolith anfühlte. Demnach speicherte er nicht nur das Licht, sondern auch die Kraft der Sonne. Solche Steine kannte er nicht. Sicher, er war Krieger und nie ein besonders guter Steinmetz gewesen, aber er erinnerte sich nicht daran, dass ihm je dergleichen untergekommen wäre. Das bedeutete, dass es in Älandur Minen gab, die zumindest eine unbekannte Sorte Gestein bargen.
Boindil zog seine Hand zurück und wollte sich abwenden, da fiel sein Blick auf die Stelle, die er berührt hatte: Seine fünf Finger zeichneten sich als schwarze Abdrücke ab!
»Verfluchte Orkscheiße!«, ärgerte er sich und schaute auf seine Hand, die sauber war. Er wischte zuerst mit seinem schwarzen Bart, dann mit einem Taschentuch auf dem Stein herum, ohne die Spuren wegscheuern zu können. Anklagend befleckten sie die Makellosigkeit des Monolithen. Die geringe Größe der Abdrücke erlaubte keinen Zweifel daran, dass ausschließlich ein Zwerg der Schuldige gewesen sein konnte, der das Heiligtum entweiht hatte. Das würde mächtigen Ärger geben.
Tiwalüns Drohung, dass selbst das Herantreten für einen Nichtelben schwere Folgen haben würde, dröhnte plötzlich laut in Boindils Ohren. Ihm wurde heiß und kalt zugleich.
Er rannte zurück, rüttelte Tungdil aus dem Schlaf und packte seine Sachen. »Wir müssen auf der Stelle verschwinden«, raunte er gehetzt. »Hier stimmt was nicht.« Er schlüpfte in die Schuhe und in sein Kettenhemd. Müde richtete sich sein Freund auf. »Was ist denn?«
»Ich habe mir den Monolithen näher angeschaut, und dabei ist mir aufgefallen, dass in diesem Palast niemand zu leben scheint.
Sie haben ihn nur für uns zum Leben erweckt.« Rasch schilderte er seine Eindrücke von den leeren Zimmern. »Und der Stein ist nicht normal. Er wird fleckig, wenn man ihn berührt«, murmelte er leise. »Fleckig? Heißt das, du hast den Stein berührt?« Tungdil wurde hellwach. »Du hast Tiwalün genau gehört...« »Ja, ja, ich weiß, ein Heiligtum. Aber ich bin der Leiter der Mission, und wenn die Elben Geheimnisse vor uns haben, möchte ich ihnen auf den Grund gehen«, verteidigte er sich und verschränkte die Arme vor der breiten Brust.
Tungdil fluchte und stieg aus dem Bett. Die Elben hatten mindestens ein Geheimnis vor ihnen, und dieser weiße, dreieckige Stein schien ihnen viel zu bedeuten. »Komm. Vielleicht kann ich die Flecken wegwischen.« Vorsichtshalber packte auch er seine Ausrüstung zusammen, ehe sie sich aufmachten. Er nahm eine Schüssel Waschwasser und einen Lappen mit, dazu Seife und etwas von dem Duftwasser, das man ihnen hingestellt hatte. Mit ein wenig Glück ließ sich damit etwas ausrichten.
Im Baumpalast zeigte Boindil Tungdil die leerstehenden Räume, die sich der Gelehrte genauer besah. Er teilte die Meinung seines Freundes, dass lange Zeit niemand darin gelebt hatte.
Und die Merkwürdigkeiten häuften sich.
Während sie sich durch die Gänge bewegten, kam es ihnen vor, als verschöben sich die hölzernen Wände und wollten verhindern, dass sie den Weg zum Monolithen fanden. Die Korridore wandelten sich zu einem raschelnden Irrgarten, aus dem sie nicht mehr hinausfanden, bis Tungdil mit seinem Dolch winzige Kerben in die Wände schnitt, um Markierungen zu hinterlassen. Danach endete das Umherlaufen ohne Ziel, und sie fanden den Weg in die große Halle.
Die Abdrücke - so kam es Ingrimmsch vor - waren mittlerweile noch dunkler geworden und hatten sich wohl für die Unendlichkeit auf der
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