Die Rache des Chamäleons: Thriller
ihren Gartenstühlen. Er hat sich eine Strickjacke angezogen. Sie friert nicht in ihrer leichten Sommerjacke.
»Hier passieren Dinge, die ich nicht verstehe«, sagt sie.
»Und was sollte das sein?«
»Wenn ich es wüsste, könnte ich es dir sagen.«
»Stimmt.«
»Du wirkst auch nicht gerade übermäßig begeistert, Peter.«
»Übermäßig begeistert?«
»Fang jetzt nicht wieder damit an.«
»Natürlich bin ich froh. Es ist immerhin … ein Urlaub. Kurzurlaub, ein bisschen wie Urlaub.«
»Aber es ist doch auch Arbeit.«
»Nicht viel, glaube ich. Das Los ist auf mich gefallen, ich werde mich gerade so viel blicken lassen, dass ich kein Misstrauen erwecke, und dann mach ich mich dünne.«
»Was genau ist eigentlich deine Aufgabe? Worüber sollst du sprechen?«
»Das … weiß ich noch nicht genau.«
»Ist das normal?«
»Nein.«
»Ich bleibe zu Hause«, sagt sie.
»Das darfst du nicht, Rita.«
»Wer bestimmt das?«
Er antwortet nicht.
»Wer bestimmt darüber, ob ich fahre oder nicht, Peter?«
»Ich brauche dich«, sagt er. »Ich fühle mich nicht gut in Form. Ich möchte nicht alleine fliegen.«
»Dann lass es doch. Bitte sie, jemand anderen zu schicken.«
»Das habe ich schon versucht«, sagt er. »Es geht nicht.«
4 Arlanda ist überlaufen, als hätte die gesamte Bevölkerung beschlossen, das Land zu verlassen. Die Urlaubszeit ist eigentlich vorbei. Aber die Leute verreisen trotzdem. Vielleicht sind sie alle arbeitslos. Solche Zeiten hat es gegeben und wird es immer wieder geben. Auch sein Büro musste schon einige Angestellte vorsorglich auf zu erwartende Kündigungen vorbereiten, es gibt keinen Markt mehr, der den Kreislauf in Gang hält.
Kinder rennen zwischen den langen Schlangen herum, die sich vor den Eincheckautomaten gebildet haben. Die Automaten sollen wohl ein Ende des Schlangestehens bewirken, denkt er, während er mit Isa auf dem Arm wartet. Sie hat ihre Arme um seinen Hals geschlungen.
Ritas Mutter kommt von den Automaten zurück.
»Es wird wohl noch eine halbe Stunde dauern«, sagt sie.
»Ihr könnt euch ja eine Weile hinsetzen«, sagt er. »Ich stelle mich an.«
Ritas Mutter nickt und übernimmt Isa. Das Kind ist eingeschlafen. Er wünschte, er könnte auch schlafen. Und erst wieder aufwachen, wenn das, was vor ihm liegt, vorbei ist. Dann würde alles wieder so sein wie vorher. Nichts von all dem Bösen würde zurückkehren.
Seit ein paar Jahren begleitet ihn ein Traum, in dem das Böse ständig zurückkehrt. Wenn er glaubt, es endlich so weit wie irgend möglich hinter sich gelassen zu haben, pocht das Böse wieder an die Tür, die er hinter sich zugeschlagen hat. Immer wieder pocht es an die Tür.
Die Schlange bewegt sich nicht vom Fleck. Kein Wunder, ganz vorn versuchen ein paar ältere Menschen, ihre Reisedaten in die Automaten einzugeben. Das kann ja nur schiefgehen. Das Personal besteht aus einigen Frauen, zu wenig. Drei geöffnete Eincheckschalter wie früher hätten gereicht, dass sie längst eingecheckt wären. Er hätte sich ein Bier genehmigen können. Zwei Bier.
Er spürt den Schweiß am Haaransatz.
Er ist unterwegs. Sie sind unterwegs.
Das Flugzeug würde ohne ihn nicht abheben, selbst wenn es noch Stunden dauerte. Die würden schon dafür sorgen, dass er an Bord ist.
Was hätte er in den vergangenen Wochen anders machen können? Was hätte er tun sollen?
Untertauchen. Er hätte untertauchen können. Allein. Seiner Familie werden sie nichts antun. Nicht, solange er lebt. Das bedeutet, dass er sich nicht umbringen kann. Er wird sich nie das Leben nehmen können.
»Wie viel ist das Leben wert?«, hatte er gefragt.
»Alles«, hatte Aitor geantwortet.
»Ist jedes Leben gleich viel wert?«
»Was ist das für eine Frage?«
»Eine wichtige Frage, oder etwa nicht? Die wichtigste überhaupt.«
»Mensch, klingt das hochtrabend, wenn du so redest.«
»Vielleicht ist es hochtrabend, vielleicht soll es das sein. Du beschäftigst dich doch mit Leben und Tod.«
»Nein. Das versuche ich zu vermeiden. Alles dazwischen ist mein Business. Trinken wir noch ein Bier?«, hatte Aitor gefragt und sich vom Stuhl des Straßenlokals erhoben.
Das Meer hatte gleißend dagelegen.
Die Schlange bewegt sich, halleluja. Ein weiteres älteres Paar hat seine Gepäckbelege bekommen. Zögernd trippeln sie zur Gepäckschlange, einer anderen Schlange. Das ist die große Innovation. Anstelle von einer Schlange gibt es jetzt zwei.
Die meisten Reisenden um ihn herum haben elektronische
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