Die Rache des Chamäleons: Thriller
vorgeschlagen.«
»Es hat mich irgendwie nicht gereizt«, sagt er.
»Mich hat es nachdenklich gemacht, dass du nie wolltest.«
»Was hast du gedacht?«
»Dass es einen Grund dafür geben muss, dass du nicht hierher wolltest.«
»Jetzt sind wir ja hier«, sagt er.
Sie kommen an einem verlassenen Wohnviertel vorbei. Irgendetwas hat alle Einwohner dazu getrieben, ihre Heimat aufzugeben, wahrscheinlich die Sonne, die Hitze. Oder die Grundstückspreise. Die Grundstückspreise und die Hitze. Er hat sie gespürt, als sie den klimatisierten Flugplatz verließen. Backofenhitze, keine Sauna. Die Luft ist trocken, nicht wie in den Tropen.
Er sieht einige magere Hunde mit den Schnauzen in einem Müllhaufen wühlen. Verrückte Hunde in der Mittagssonne. Er schaut auf seine Armbanduhr. Es ist Mittagszeit. Er denkt an die Wildnis in seinem Innern, ein verlassenes Land mit vergiftetem Boden. Der Taxifahrer spielt einen nackten Flamenco, eine einsame Stimme, deren Einsamkeit durch die gerissenen Lautsprechermembranen noch größer klingt. Keine Gitarren. Es ist ein Lied über die Sonne. Den Feind Sonne. Jetzt kann er das Meer sehen, das sich wie eine geballte Eisenfaust in die Stadt schiebt. Die Stadt sieht im Sonnendunst aus wie ein Haufen Asche. Eine Bucht aus Eisen, ein Meer aus Stahl, eine Sonne aus Feuer, eine Stadt aus Asche. Alles ist an seinem Platz.
Die Hauptstraße ist dieselbe, die Häuser hat es schon gegeben, als er hier war. Die Altstadt ist unverändert, und das wundert ihn fast. Als hätten sie all die Jahre seinetwegen durchgehalten, als hätten sie auf ihn gewartet, damit er sich bei seiner Rückkehr zurechtfindet. Damit er alles wiederfindet, wenn er zurückkommt.
Das Taxi hält vor dem Hotel. Palmen säumen den Wendeplatz vor dem Eingang, der von Bougainvilleen umrankt wird. Davor, neben einer Palme, steht ein Mann in Hoteluniform. Zwei Träger kommen auf das Taxi zugelaufen wie Marinesoldaten auf dem Weg zum Hubschrauber.
Sie sind im Land der Urlauber.
Sie gehen durch die Hitze und betreten das Hotel. Die Klimaanlage trifft sie wie ein kaltes Handtuch im Gesicht. Drinnen ist es kalt. Er weiß, dass sie sich schnell daran gewöhnen werden. Er weiß, dass man sich an alles gewöhnen kann. An fast alles kann man sich gewöhnen.
Rita füllt das Formular aus, das ihr die Frau an der Rezeption zugeschoben hat. Peter reicht ihr seinen Pass. Ein Pass ist immer noch nötig, obwohl es im freien Europa keine Grenzen mehr gibt. Dafür haben wir gekämpft, denkt er. Rita legt eine Pause ein und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die Frau hinter dem Tresen sagt etwas auf Spanisch, das er versteht. Er schaut auf, ist nahe dran zu antworten. Er sieht, dass sie mit einem Kollegen hinter dem Tresen spricht. Fast hätte er sich verraten. Er wirft Rita einen Blick zu. Ihr hat er erzählt, dass er ein wenig Schulspanisch kann und mit den Kursteilnehmern Ende des Schuljahres für eine Woche nach Spanien gefahren ist. So hat er es ihr erzählt.
»Ist das Zimmer fertig?«, fragt er auf Englisch.
»In einigen Minuten.«
»Ist das Gepäck schon oben?«
»Selbstverständlich.«
»Gibt es hier irgendwo eine Toilette?«, fragt Rita die Frau und wischt sich wieder über die Stirn.
»Ist dir nicht gut?«, fragt er.
»Doch.«
»Da hinten bei den Fahrstühlen«, sagt die Frau hinter dem Tresen. Sie ist schlank, ihr Lippenstift ist von einem helleren Rot, als er es seit langem gesehen hat. Ihre Augenbrauen sind gezupft und bilden dünne Linien. Die Augen drücken keinerlei Emotionen aus, das Dauerlächeln reicht nicht bis in die Augen.
Rita geht durch das Foyer auf die grüne Tür zu, an der Ladies’ room steht. Es gibt nur eine Tür. Men’s room muss auf der anderen Seite sein. Er dreht sich um. Er hat nicht das Bedürfnis, dorthin zu gehen, dreht sich aber trotzdem um.
Das Handy in seiner Jacketttasche vibriert. Er spürt den Schweiß in seiner Hand, als er es herausnimmt und die spanische SMS liest:
WILLKOMMEN ZU HAUSE .
Als sie auf dem Weg zum Fahrstuhl sind, stößt die Frau an der Rezeption einen Schrei aus. Er dreht sich um. Sie hält sich eine Hand vor den Mund und schaut zu dem Fernsehschirm, der an einer Wand im Foyer hängt. Er geht zurück, um zu sehen, was passiert ist. Rita folgt ihm.
Man sieht einen brennenden Minibus und im Hintergrund mehrere Menschen auf einer grauen Straße. Fast alles ist grau, als würde es regnen, nur das Feuer ist glutrot. Bald ist der ganze Bildschirm mit Feuer bedeckt. Es
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