Die Rache des Chamäleons: Thriller
Was habe ich gedacht, wenn ich geschaukelt wurde? Habe ich daran gedacht, wie es sein würde, wenn ich selber groß bin und mein eigenes Kind schaukele? Ich glaube, so war es. Ich glaube, ich erinnere mich.
Sie hat den Eindruck, dass die Frau sie hinter ihrer dunklen Sonnenbrille beobachtet. Sie hat sich nicht bewegt, seit sie sich auf der Bank niedergelassen hat. Sie hat nicht in den Kinderwagen geschaut, sich nicht um das Kind gekümmert, es herausgenommen. In den ersten Monaten mit Magda war Rita wie aufgezogen. Konnte nie entspannen.
Magda ruft vom Klettergestell. Rita hört nicht, was sie ruft, betrachtet immer noch die Frau.
»Mama, Mama!«
Jetzt hört sie es und schaut zu dem Gerüst. Magda hängt in einer seltsamen Haltung am Gestell.
»Magda!«
Das Mädchen antwortet nicht.
»Magda? Magda!«
Sie lässt Isas Schaukel los und läuft über den Spielplatz, fliegt über den Sand im Sandkasten.
Aber sie ist nicht als Erste da.
Die Frau mit dem Kinderwagen hat schon Magdas Schultern gepackt, sie angehoben, ihr Gewicht abgefangen.
Rita sieht, dass Magdas Fuß sich aus dem unheimlichen Winkel löst, in dem er eben noch festhing.
Vorsichtig nimmt sie den Fuß, legt ihre Arme unter Magdas Schenkel.
Und da beginnt das Mädchen zu weinen, zu schreien. Eine gesunde Reaktion.
Sie legt die Tochter auf die Erde.
»Was tut dir weh, Magda?«
Sie tastet den Fuß ab, den Spann, die Wade, das Schienbein. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Höchstens eine kleine Schwellung. Es sind nur ein paar Rötungen zu sehen, nicht allzu kräftig. Sie löst die Sandale vom Fuß, bewegt ihn vor und zurück. Magda schluchzt. Auch das ist ein gutes Zeichen.
Da hört sie Isa auf der Schaukel schreien. Sie hat ebenfalls Angst bekommen.
»Mama ist gleich bei dir«, ruft Rita.
Magda ist inzwischen aufgestanden.
»Kannst du mit dem Fuß auftreten, Schätzchen?«
»Nein.«
»Versuch es. Stell den Fuß ganz vorsichtig auf die Erde.«
Magda setzt ihn vorsichtig auf. Es geht gut.
»Es tut weh«, sagt sie.
Rita hebt den Blick. Isa ist verstummt, sie betrachtet etwas in weiter Ferne, außerhalb des Parks. Rita folgt ihrem Blick. Dort ist nichts.
Sie sind wieder allein, sie und ihre Kinder.
Die Frau ist verschwunden.
Bei der Bank steht kein Kinderwagen mehr.
Rita sieht sich um. Sie sind allein.
Ein kalter Schauer rieselt von ihrem Nacken bis zu den Schultern. Es ist ganz windstill.
Magda macht einen Schritt vorwärts.
»Ich glaube, ich kann gehen«, sagt sie.
»Wo ist die Frau, die dir geholfen hat?«, fragt Rita. »Die uns geholfen hat?«
»Geholfen?«, wiederholt Magda.
»Sie hat dir vom Klettergerüst geholfen. Bevor ich gekommen bin. Die Frau mit der Sonnenbrille. Wo ist sie?«
Rita hört die Schärfe in ihrer eigenen Stimme.
Magda sieht sie ängstlich an.
»Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, Schätzchen«, sagt Rita und nimmt das Kind in den Arm. »Ich wollte mich nur bei der Frau bedanken.«
»Ich hab niemanden gesehen«, sagt Magda.
»Sie hat da hinten auf der Bank gesessen«, sagt Rita und zeigt zu der Bank. »Mit einem Kinderwagen. Du musst sie doch gesehen haben?«
Magda zuckt mit den Schultern, schüttelt zögernd den Kopf.
»Hast du sie überhaupt nicht gesehen?«, fragt Rita.
»Ich kann mich nicht erinnern«, sagt Magda.
Rita geht zurück durch den Sandkasten und hebt Isa von der Schaukel. Das Kind strampelt mit den Beinen, für heute hat sie genug geschaukelt.
»Hast du die Tante gesehen?«
Isa versucht sich aus dem Griff zu befreien, will weg, zum Sandkasten, wird ein bisschen wütend.
Rita lässt sie auf die Erde gleiten und geht zu der Bank. Sie ist verwirrt und fühlt sich, als hätte sie Fieber. Von der Frau weit und breit keine Spur, soweit sie sehen kann. Wer war sie? Warum ist sie verschwunden, ohne etwas zu sagen? Aber was spielt das für eine Rolle. Manche Leute sind eben zurückhaltend, wollen nicht mit Fremden sprechen. Das ist in Ordnung. Es ist nicht immer gut, mit Fremden zu sprechen. Man soll sich von Fremden fernhalten. Und nicht verreisen. Man soll bei seinen Kindern zu Hause bleiben.
Sie geht ein Stück den Parkweg entlang, vielleicht hat die Frau sich ja eine andere Bank gesucht, von hier aus müsste sie sie sehen, der Park ist klein, der Kinderwagen ist groß, er hat ganz neu ausgesehen, der letzte Schrei. Die Frau hat nicht wie eine Mutter ausgesehen.
»Ich will nicht verreisen. Du musst alleine fahren, Peter.«
»Wovon redest du?«
Sie sitzen in der Dämmerung auf
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