Die Rache des Chamäleons: Thriller
du sagen, wenn du davon erführest?«
»Hörst du mir nicht zu? Ich will dieses Spiel nicht spielen!«
»Okay.«
Sie schaut ihn wieder an.
»Es gibt etwas, das du mir sagen möchtest, aber eigentlich auch wieder nicht.«
Er schweigt.
»Hast du etwas verbrochen?«
»Was würdest du tun, wenn du es wüsstest?«
»Ich kenne dich, Peter. Ich kenne dich seit sieben Jahren, habe fast jeden Tag mit dir verbracht. Ich hätte es gewusst. Oder du hättest es mir erzählt.«
Er nickt. Sie betrachtet ihn. Sie kann sein Nicken nicht deuten. Bestätigt er damit etwas, das sie gesagt hat, oder eher eine innere Stimme? Vielleicht trägt er ein Geheimnis mit sich herum, das es schon immer gegeben hat, so verborgen, dass sie es nie ergründen wird. Sie spürt einen kalten Schauer über ihren Rücken laufen, als hätte ein kühler Nordwind die Balkontür hinter ihnen aufgedrückt.
»Hast du in jungen Jahren eine richtige Dummheit begangen? Damit bist du nicht allein. Aber ich weigere mich zu glauben, dass du jemanden umgebracht hast.«
Wieder spürt sie den Windzug, er streicht wie ein Raubtier um das Bett, durchs Zimmer, das Appartement.
»Hast du das, Peter? Ich frage dich noch einmal.«
»Nein. Ich gebe dir mein heiliges Ehrenwort, dass ich niemanden umgebracht habe.«
»Danke«, sagt sie. »Das wäre das Schlimmste. Fast alles andere ist verzeihlich.«
»Aber wenn es passiert ist?«
Sie hat nicht verstanden, was er gesagt hat, er hat sie dabei nicht angesehen, hat zum Balkon geschaut, zum Meer. Sie berührt ihn am Arm, der kälter ist als ihre Hand.
»Lass uns damit aufhören, Peter. Es tut mir nicht gut. Unsere Unterhaltung wird mir langsam unheimlich.«
»In Ordnung.«
Er setzt sich auf und greift nach dem Wasserglas, das auf dem Nachttisch steht, trinkt einen Schluck. Das Wasser schmeckt nach nichts, verbreitet nur eine schwache Kühle im Zwerchfell, als es durch seine Kehle fließt.
»Ich weiß nicht, warum ich so rede«, sagt er. »Vielleicht habe ich etwas geträumt.«
»Wir haben doch noch gar nicht geschlafen.«
»In einer anderen Nacht.«
»Hast du geträumt, du wärst ein Mörder?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wenn ein Serienmörder mit einem Schlachtermesser in unsere Wohnung eindringen würde und ernsthaft drohte, mich und die Kinder zu zerstückeln, und du kämst Sekunden später mit einer Pistole hereingestürzt und würdest ihn erschießen, dann würde ich jubeln. Reicht dir das als Kommentar?«
»Vollkommen.«
»Hast du von so einer Situation gesprochen?«
»Ungefähr.«
Die Sonne geht über den Wüsten von Afrika auf, als er vor der Anrichte in der Pantryküche steht und ein Glas Saft trinkt. Er tritt auf den Balkon hinaus. Der Strand ist leer, ganz und gar leer. Das Meer ist sehr groß und grau und regungslos in Erwartung der Sonne, die sich noch nicht gezeigt hat. Alles wartet darauf, dass sie sich zeigt. Bis jetzt hat sie nur ein kaltes Licht vorausgeschickt. Erst Licht, dann Wärme, denkt er. Er trägt Shorts und ein T-Shirt. In einer Minute wird er sich im Vorraum die Joggingschuhe schnüren. Er hat Rita in der vergangenen Nacht angekündigt, dass er in der Morgendämmerung laufen wolle. Sie hat gelacht. Aber hier steht er.
Auf den Notizblock, der auf der Anrichte liegt, hat er ICH KAUFE MILCH geschrieben. Er weiß nicht, warum.
Vielleicht war es ein Versuch, normal zu sein. Das Leben normal wirken zu lassen. Mehr verlangen wir nicht. Das Leben soll normal sein. Wir wollen schon im Voraus wissen, dass es normal wird. Dass es warm wird. Dass wir Milch für den Kaffee kaufen.
*
Als er die schmale Treppe zur Avenida hinaufsteigt, haben die ersten Sonnenstrahlen die Häuser erreicht, die dem Strand am nächsten stehen. Eins der Cafés, an denen er vorbeikommt, hat schon geöffnet. Noch sind keine Gäste da. Er fröstelt in einem kurzen Windhauch, dem letzten Windhauch der Nacht, kehrt um und setzt sich an einen Tisch. Eine Frau kommt aus dem Lokal. Er bestellt Kaffee und Toastbrot mit Butter und Marmelade. Während er auf das Frühstück wartet, füllt sich die Straße mit Menschen, als hätten sie nur darauf gewartet, dass er als Erster die Initiative ergreift. Jetzt ist die Sonne zu sehen, er spürt sie im Gesicht, schließt die Augen und genießt die Wärme.
Als er den Kaffee getrunken hat, legt er einige Münzen auf den Tisch und geht zur Altstadt hinauf.
Bis dorthin hat die Sonne es noch nicht geschafft. Einige Geschäfte öffnen gerade, Jalousien aus Metall werden mit einem
Weitere Kostenlose Bücher