Die Rache des Chamäleons: Thriller
Er wusste, dass Aitor seine Hände am liebsten um seinen Hals schließen würde, seine Finger um seinen Hals pressen, bis seine Augen explodierten.
»Apropos laufen«, sagte Aitor. »Jesús läuft am Strand. Er joggt. Da gibt es eine Stelle, wo sie keine hundertprozentige Sicherheit gewährleisten können. So scheint er es haben zu wollen. Als würde er sich auf den Strand verlassen.«
»Auf den Strand verlassen?«
Aitor nickte.
»Er ist immer am Strand gelaufen. Dort fühlt er sich sicher. Er ist am Strand aufgewachsen. Wusstest du das?«
»Ich weiß so gut wie nichts von ihm. Warum erzählst du mir das alles?«
»Am Strand«, sagte Aitor, »wird es geschehen.«
6 Er hat ein Handtuch um die Hüften geschlungen, als er ins Zimmer kommt. Seine Haare sind noch nass.
»Hast du dich ein bisschen beruhigt?«, fragt sie.
»Ja. Her mit dem Champagner. Ach nein, ich möchte lieber Whisky.«
»Bist du sicher?«
»Warum sollte ich nicht sicher sein?«
»Du hattest eine Fahne, als du gekommen bist.«
»Das war nur Sherry. Auf dem Empfang hat es Sherry gegeben.«
Er geht zu der Anrichte in der Küchenecke und schraubt die Whiskyflasche auf, nimmt ein Trinkglas vom Bord und schenkt sich ein.
»Ich habe zu Hause angerufen, während du geduscht hast«, sagt sie. »Willst du nicht auch anrufen? Ich bin mir sicher, das würde sie freuen.«
Er nimmt die Armbanduhr hoch, die er auf die Anrichte gelegt hat, und kontrolliert die Zeiger.
»Dafür ist es jetzt zu spät«, sagt er.
Sie sitzen in einem Innenhof, der einem das Gefühl gibt, als befände man sich in einem Zimmer im obersten Stockwerk eines Hochhauses, so nah sind die Sterne.
Er sieht eine weiß gekalkte, mit dunkellila Bougainvilleen bewachsene Mauer, mehr Blüte als Wand.
Sie sitzen sich, eingekreist von anderen Restaurantgästen, an einem Tisch gegenüber, auf dem eine weiße Stoffdecke liegt. Es ist ein lauer Abend. Schon auf dem Weg hierher hat er sein Jackett ausgezogen.
Der Kellner schenkt Rita Wein ein. Ihr Gesicht leuchtet im Schein der brennenden Kerzen.
Der Kellner schenkt ihm Wein ein und stellt die Flasche in einen Behälter mit Eis. Dann verneigt er sich andeutungsweise und geht.
Sie prosten sich zu.
Rita betrachtet ihn.
»Versuch ein wenig abzuschalten«, sagt sie.
»Ich habe abgeschaltet.«
»Betrachte es nicht als Job.«
Er trinkt von seinem Wein, als sie das sagt, und verschluckt sich.
»Was hast du gesagt?«
»Sieh es nicht als Job.«
»Was?«
»Den Job! Oder das Seminar oder wie immer du es nennen willst.«
»Nein … nein. Wahrscheinlich steckt mir noch der Schwedenstress im Körper.«
»Der Schwedenstress«, wiederholt sie.
»Darauf trinken wir!« Er trinkt und schenkt sich ein weiteres Glas ein.
»Sei vorsichtig«, sagt sie.
»Es ist ja nur ein bisschen Wein«, sagt er.
»Um wie viel Uhr findet denn dieser Empfang morgen statt?«
»Äh … um eins. In der Mittagszeit.«
»Und die wollen also, dass ich dabei bin?«
»Ja.«
»Muss ich wirklich? Ich würde gern darauf verzichten. Um die Zeit möchte ich lieber am Strand liegen.«
Ein Ober kommt zu ihrem Tisch und serviert ihnen Schälchen mit Gambas al ajillo, Jamón serrano , marinierter Paprika, Sardellen und kleinen frittierten Fischen.
Er nickt ihnen und den Tapas zu und geht davon.
»Entschuldige mich bitte einen Moment.« Peter steht auf und verlässt den Tisch.
Er betrachtet sein Gesicht im blauen Toilettenlicht. Eiskaltes Licht, sechzig Grad kälter als das Licht draußen. Wasser rinnt über sein Gesicht, er atmet heftig und stoßweise. Seine Augen verschwimmen im Spiegel.
Er spritzt sich mehr Wasser ins Gesicht.
Er trocknet sich mit den Papiertüchern ab, wischt sich über Stirn, Mund und Augen, betrachtet sich erneut im Spiegel. Seine Augen sind wieder da, es sind seine Augen, er ist es.
Er schüttelt langsam den Kopf.
»Scheiß drauf«, sagt er, als er sich wieder an den Tisch setzt. Er war nur wenige Minuten weg. Die Gambas zischen immer noch in den heißen Lehmschalen.
»Wie bitte?«
»Auf diesen verdammten Empfang. Das Essen. Scheiß drauf.«
»Kann ich das denn?«
»Ja.«
»Wunderbar.«
»Ich lasse mich eine Weile dort blicken, und dann verbringen wir den Nachmittag am Meer.«
Auf einer kleinen Bühne vor der Mauer schlägt ein Flamencogitarrist einen Akkord an. Ein Sänger auf einem Stuhl neben dem Gitarristen beginnt zu singen. Mit heiserer Stimme, hell und gefühlvoll. Der Mann muss so um die siebzig sein. Er singt von Abschied:
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