Die Rache des Chamäleons: Thriller
den Mauern.
»Das Bier ist da«, sagt John.
Er nickt dem Mann zu und geht mit ihm hinaus ins Licht.
Der Laster startet wieder, Peter hört ihn jenseits der Mauern, als er in der Seitengasse vorbeifährt. Er hört ihn auf der Rückseite des Gebäudes. Er sieht sich wieder um und schließt die Augen, versucht sich zu vergegenwärtigen, wie es hier war, als noch alles gut war.
John kehrt durch den Hintereingang in die Bar zurück. John Österberg. Ihn gibt es noch.
»Die Zeit vergeht, aber das Bier bleibt«, sagt er.
»Viele Gäste?«
»Das wirst du heute Abend sehen.«
»Dann bist du also reich geworden.«
»Erzähl mir, warum du hier bist«, sagt John. »Du solltest nicht hier sein.«
7 Rita überquert die Strandpromenade und geht die Stufen zur Playa de la Fontanilla hinunter. Sie trägt eine Basttasche über der Schulter. Am Strand sind zum Schutz der Badegästefüße vor dem heißen Sand lange grüne Matten ausgerollt.
Es ist ziemlich leer. Wenn die Hitze ihren Höhepunkt erreicht, ist die Nachsaison angebrochen. Heute Nacht hat sie eine Weile auf dem Balkon gestanden und gespürt, wie ihr auf der Stirn Schweiß ausbrach. Die Nacht hat keine Abkühlung gebracht. So etwas hat sie noch nie erlebt. Die Sonne war weg, aber die Hitze war geblieben.
Sie kann frei unter den Liegestühlen wählen, die in drei geraden Reihen aufgestellt sind, und entscheidet sich für zwei Stühle, die dem Wasser am nächsten stehen, breitet das Badelaken über den einen und hängt die Tasche an einen krummen Nagel, der in den Ständer des fest verankerten Sonnenschirms geschlagen ist. Der Schirm besteht aus geflochtenem Stroh. Ihre Tasche an dem Nagel sieht aus, als wäre sie hier zu Hause.
Sie setzt sich in den Schatten des Schirms und beginnt ihre Beine mit Sonnenschutzmittel einzucremen. Sie schaut über das Meer. Es liegt still da. Dort draußen ist nichts, kein Schiff, kein Schwimmer, keine Vögel, nichts.
An der Nordseite der Strandpromenade reihen sich einstöckige Wohnhäuser. In den Erdgeschossen sind Bars und Restaurants. An einem der Fenster im Obergeschoss über einer Tapasbar steht ein Mann mit einem Fernglas. Er beobachtet Rita, hat ihren Spaziergang über den Strand verfolgt, und jetzt sieht er, wie sie den Jungen bezahlt, der die Liegestühle verleiht. Sie streckt sich nach der Tasche, die an dem Nagel hängt, vermutlich noch derselbe Nagel wie zu der Zeit, als er als Kind am Strand herumgelaufen ist und das Sklavengeld für las sombrillas y las tumbonas kassiert hat. Er könnte dort immer noch herumlaufen. Sein Vater ist an ebendiesem Strand mit ein paar Hundert Pesetas in der Tasche gestorben, er hat den Sonnenschirm-Euro nicht mehr erlebt. Er, auch zum Sklaven geboren, hätte den Platz seines Vaters einnehmen können. Der Vater starb mit dem Mund voller Sand. Niemand war da, der den Sand aus seinem Mund entfernte. Nicht einmal das konnten sie.
Der Mann sieht den Jungen weggehen. Die Frau ist allein am Strand. In einigen Stunden werden die Deutschen und Engländer einfallen, wenn sie ihren Rausch einigermaßen ausgeschwitzt haben. Dagegen hilft nur mehr Alkohol. Altes Besäufnis wird wie neu. Nach einer Stunde medizinischer Behandlung schwimmen sie wieder. Tanzen in der Sonne. Die Frau schaut in seine Richtung. Sehen kann sie ihn nicht. Vielleicht hat das Fernglas einen Reflex geworfen. Er lässt es sinken.
Sie hat von einem Haus auf der anderen Seite der Strandpromenade ein blendendes Licht wahrgenommen. Wie ein jäher Blitz, denkt sie.
Sie sitzen an einem Tisch vor der Bar Azul, der blauen Bar. Auf dem Tisch stehen zwei Gläser Bier. John Österberg nimmt einen Schluck. Leute bewegen sich über den Platz. Hunde bellen, Hammerschläge hallen wider, aus einem gerissenen Lautsprecher irgendwo in einer nahen Seitengasse scheppert Musik. Die Altstadt ist erwacht.
Peter hat erzählt, was ihn veranlasst hat, an die Sonnenküste zurückzukehren, aber er hat nicht alles erzählt.
»Was soll ich tun?«, fragt er. »Ich brauche deinen Rat.«
»Wen sollst du umbringen? Weißt du, wer es ist?«
»Ja … aber nicht mehr, als man mir gesagt hat.«
»Kennst du ihn von früher?«
»Nein. Ich wusste, wer er war, aber das ist auch alles.«
All die Lügen in dieser Geschichte, denkt er. Jeder hat seine persönlichen Gründe zu lügen. Eigentlich weiß jeder, dass alle lügen. So ist es das Beste für alle, etwas, wonach man sich richten kann.
»Das müsstest du aber.«
»Wie meinst du das?«
»Wenn er damals
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