Die Rache des Chamäleons: Thriller
nachsehen?«
»Es ist ungewöhnlich, dass jemand einen Schlüssel dalässt.«
»Jetzt sehen Sie schon nach, verdammt noch mal!«
Sie zuckt zusammen. Sie geht zu einem paar Meter entfernten Schrank, öffnet die Schranktür. Eine selten plumpe Art, die plumpen Schlüssel der Gäste zu verwahren. Sie dreht sich um.
»Nein, Ihre Frau hat keinen Schlüssel abgegeben.«
»Sie ist nicht im Appartement. Im Zimmer.«
Die Frau zuckt mit den Schultern. Mir doch egal.
»Hat jemand nach uns gefragt? Oder nach mir?«
»Nicht, seit ich Dienst habe.«
Im Hintergrund brüllt der Fernseher. Es sieht aus, als würden Flammen aus der Mattscheibe schlagen.
»Es Torremolinos« , sagt die Frau.
»¿Una bomba?« , fragt er.
Sie zuckt mit den Schultern, aber diesmal nicht gleichgültig. Sie hat es vermutlich verstanden. Der Terror ist im Paradies eingezogen.
Er legt das Handy auf den Bartresen in der Pantryküche. Es ist schlimmer, einen Anrufbeantworter anzurufen, als alles andere. Anrufbeantworter sind die dämlichste Erfindung, die es gibt.
Sie ist unterwegs und kauft die verdammte Milch, die sonst nicht gekauft wird.
Sie ist unterwegs und nimmt einen Drink. Sitzt in einer Bar und beobachtet die Leute. Sie mag das, Leute beobachten.
Sie geht spazieren. Ein entspannter Spaziergang am Wassersaum. Dorthin wird er gehen. Dort sollte er sein. Dort ist sie.
Er nimmt das Handy wieder auf und versucht eine Nummer einzugeben. Seine Finger sind zu groß, die Tasten zu klein, sie sind für Kinderfinger gemacht. Er legt es wieder zurück. Ihm tropft Schweiß in die Augen. Er schließt sie. Es brennt. Er wischt sich über Augen und Stirn. Unter den Achseln hat er große Schweißflecken, sie sind gut zu sehen, obwohl das Hemd hell ist, alles ist in dem Spiegel zu sehen, in den er jetzt starrt. Er könnte in einem Werbespot für Deodorant auftreten. Dieser Mann benutzt das falsche Produkt. Hier ist das richtige. Hier ist ein Bild von dem Mann, nachdem er das richtige Produkt benutzt hat. Aber nicht jetzt. An allen anderen Tagen, aber nicht heute. Auf dem hinteren Teil der Anrichte steht eine Flasche Lariós Gin, er ist mit zwei Schritten dort, nimmt die Flasche, schraubt sie auf und setzt sie an die Lippen. Ein tiefer Schluck, er verschluckt sich, bekommt einen Hustenanfall, Gin spritzt aus seinem Mund über die Arbeitsplatte. Er beugt sich über die Anrichte, hustet und würgt, als müsste er Tannenreisig auskotzen, und in dem Augenblick klingelt das Handy, das er auf die Anrichte gelegt hat.
Er versucht zu atmen.
»J…ja?«
»Hallo, Papa!«
»Ha…hallo, Schätzchen.«
Eine Stimme aus der guten Welt. Er hatte sie vergessen, er hatte sie tatsächlich vergessen.
»Deine Stimme klingt komisch, Papa. Bist du erkältet?«, fragt Magda.
»Nein … nein. Ich habe nur etwas in die falsche Kehle bekommen.«
»Ist es weg?«
»Was?«
»Bist du schwer von Kapee, Papa? Das, was in deiner Kehle war.«
»Ja, es ist weg … jetzt ist es weg.«
»Habt ihr heute schönes Wetter gehabt?«
»Nur. Schönes. Wetter.«
»Deine Stimme klingt wirklich komisch, Papa.«
Er hustet noch zweimal.
»Kann Mama dir nicht auf den Rücken klopfen?«
»Doch, da …«
»Jetzt rate mal, Papa!«
»Was?«
»Rate, ob es hier regnet.«
»Ich rate, dass es regnet.«
»Richtig! Jetzt muss ich Mama etwas fragen.«
»Ich ka…«
»Ich bin bei uns zu Hause«, unterbricht ihn Magda. »Wir suchen einen Pullover. Oma sucht auch. Isa sucht auch. Mamas Pullover. Sie hat erlaubt, dass ich ihn anziehen darf, wenn ihr in Urlaub seid. Er ist rosa und blau. Aber wir können ihn nicht finden. Ich hab ÜBERALL gesucht. Wir wollen uns verkleiden. Oma will eine Maskerade machen.«
»Kann ich bitte mit Oma sprechen?«
»Nein! Erst muss ich Mama nach dem Pullover fragen.«
»Mama kauft gerade etwas ein. Sie … kommt bald wieder.«
»Ich glaube, du schwindelst.«
»Nein, ich schwindle nicht!«
»Sag ihr, dass sie sofort anrufen soll und mir sagen, wo der Pullover ist!«
»Versprochen, Mäuschen. Gibst du mir jetzt mal die Oma ans Telefon?«
Er reibt sich mit der freien Hand über die Augen. Schweiß ist auf das Handy getropft. Es fühlt sich an wie ein Stück Seife. Er wischt das Telefon am Hosenbein ab, drückt es wieder ans Ohr.
»Ja? Hallo?«
»Bei euch alles in Ordnung, Gun?«
»Ja.«
»Nichts … Besonderes?«
»Nein … Was ist los, Peter? Deine Stimme klingt merkwürdig.«
»Das hat Magda auch gesagt, es ist nur die Wärme. Hat heute Nachmittag jemand
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