Die Rache des Chamäleons: Thriller
Strahlen über den Strand. Die Stelle, wo die beiden Männer liegen, ist angeleuchtet wie ein Bühnenbild.
Durch das Zielfernrohr ist die Bühne verzerrt. Es ist zugleich zu viel und zu wenig Licht. Aber es ist etwas zu erkennen.
Der Vorhang neben Aitor bewegt sich.
Er sieht die Sanitäter und die Polizisten. Er hat alles gesehen.
»Ist das Auto bereit?«, fragt er, ohne das Fernrohr von den Augen zu nehmen.
»Wir mussten es wegfahren«, sagt eine Stimme hinter ihm.
»Ich habe gefragt, ob es BEREIT ist?«
»Es ist bereit. Sie sind unterwegs.«
Aitor sieht Naiara Ibarretxe Montañas aus einem Auto springen, ehe es hält. Sie läuft auf die angestrahlte Bühne zu. Die Körper werden gerade in den Krankenwagen geschoben.
»Die Witwe ist schon da«, sagt er.
»Das ging schnell«, sagt die Stimme hinter ihm.
»Vielleicht hatte sie eine Vorahnung.«
Naiara schreit. Es klingt wie das Heulen eines gerissenen Tieres. Sie ist auf dem Weg in den Krankenwagen. Einer der Sanitäter hilft ihr. Sie verschwindet im Innern des Krankenwagens. Der Sanitäter sieht einen der Polizisten an, der mit einem Karabiner im Anschlag draußen steht, und schüttelt den Kopf. Von allen Seiten kreischt Sirenengeheul. Menschen laufen durch den Sand. Es nimmt kein Ende. Die Sonne ist woanders.
14 Sie biegen mit großer Geschwindigkeit um die Ecke. Hundert Meter entfernt sieht Rita das geparkte Auto, es steht entgegen der Fahrtrichtung. Sie bremst, parkt geschickt in zweiter Reihe daneben.
Es ist eine stille Straße, zentral gelegen, aber in einem ruhigen Viertel.
Sie bleiben sitzen, als wären sie bewegungsunfähig. Die Stille hämmert gegen seine Schläfen. Die berühmte betäubende Stille. Die Stille ist nicht seine Freundin. Die Vergangenheit ist nicht seine Freundin, ist es nie gewesen. Sie ist seine Freundin, eine starke Freundin, er kann es an ihrem Gesicht ablesen, an ihrem Profil. Sie ist die Einzige, die ihn retten kann.
Während der Flucht haben sie kein einziges Wort gewechselt.
Er sieht, dass ihre Arme zittern. Ihre Hände liegen immer noch auf dem Lenkrad. Seine Hände zittern auch. Nach den Schüssen und den Rückstößen hat er Schmerzen im linken Arm. Die Pistole war furchtbar stark, die starke Freundin. Sie ist immer noch dabei, liegt auf dem Boden vor seinen Füßen. Angst ist eine erschreckend starke Kraft, denkt er.
»Wir müssen weiter«, sagt sie und öffnet die Autotür.
»Weiter«, sagt er und öffnet seine Tür.
»Wie geht es dir, Peter?«
»Wir müssen weiter.«
»Ich will wissen, wie es dir geht.«
»Furchtbar.«
»Dann bist du nicht allein«, sagt sie.
»Du fährst gut.«
»Ein bisschen zu schnell.« Sie steigt aus.
Wir sind furchtbar ruhig, denkt er und steigt auch aus. Dies ist eine furchtbare Ruhe.
Sie setzen sich in das andere Auto. Sie hat es mit einem Schlüssel aufgeschlossen, den sie dabeihatte.
Sie startet, und sie fahren zurück um die Ecke, um die sie gekommen sind.
Sie sind allein. Auf den Straßen ist kein Verkehr mehr. Sie sind allein in der Stadt. Er kann kein Leben entdecken. Alles Leben ist am Meeresstrand versammelt.
Auf der Autobahn in Richtung Flugplatz fährt sie sehr schnell. Sie sind nicht mehr allein, Scheinwerferreflexe stürzen von allen Seiten auf sie ein. Draußen ist alles gelb und schwarz. Über dem Meer hängt noch ein Schimmer, die letzte Erinnerung an den Tag. Den letzten Tag. Nein, nein, nein. Er sieht die Silhouetten der Gebäude zwischen Autobahn und Meer, die großen Hotels, schwarze Wachttürme am Strand. Die Türme hat es damals auch schon gegeben, in seinem früheren Leben, aber er hat nie auf sie geachtet.
»Wollen wir heute Abend nach Torremolinos?«
»Und eins aufs Maul kriegen von den englischen Hooligans?«
»Ich dachte an das gegrillte Hähnchen.«
»Haha.«
»Calle Rio Esera. Best chicken in town .«
»Ich weiß, mein Freund.«
»Mein Bruder kommt mit.«
»Heißt er wirklich Jou?«
»Ungefähr.«
»Klingt portugiesisch.«
»Er ist Portugiese.«
»Dein Bruder ist Portugiese, Aitor?«
»Ungefähr.«
»Ich freue mich immer, wenn ich ihn sehe.«
»Der Junge ist nett.«
Er beugt sich vor und schaltet das Radio ein.
Der Nachrichtensprecher berichtet etwas in schnellem Tempo. Es gibt keine Musik, nur Worte. Die Worte werden noch schneller.
»Was sagt er?«, fragt sie.
Er lauscht, beugt sich etwas vor.
»Handelt es von uns?«, fragt sie.
»Nein … es geht wieder um eine Bombe.«
»Herr im Himmel.«
»In Málaga«, sagt er.
»Wir
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