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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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bestimmt Gold«, sagte er laut, »und andere gute Dinge, die wir gebrauchen können und teilen sollten. Schlagt sie tot!«
    Einer der Bauern - offenbar aus einem anderen Dorf; ihn konnte ich verstehen - trat einen Schritt vor. »Das soll die Versammlung entscheiden, und Wendel«, sagte er. »Und hier bestimmst nicht du … Fürstensöhnchen« - er warf mir einen Blick zu, und ich glaubte, ein Zwinkern zu sehen -, »sondern Karl.«
    Die anderen nickten und murmelten Zustimmung.
    »Wenn ich denn hier bestimme«, sagte der Riese, »dann bestimme ich, daß wir morgen früh aufbrechen, zurück zu den anderen. Dort werden die beiden geprüft und gerichtet, vom Rat und den Sprechern. Bis dahin wird sich sogar Leopold benehmen wie ein Christenmensch, nicht wie ein Junker.«
     
    In den nächsten Tagen und Nächten hatten wir Glück mit dem Wetter; es blieb kalt und klar, Wald und Wege waren verschneit und wurden noch nicht zu Schlamm und Morast. Damit war allerdings unser Glücksvorrat erschöpft. Mehr stand uns nach dem Ratschluß der höheren Mächte offenbar nicht zu.
    Karls Umgänglichkeit und die gelegentlichen Scherze einzelner Bauern änderten nichts daran, daß wir Gefangene waren. Junker Leopold spielte eine seltsame Narrenrolle: Er ritt und knurrte und murrte, und wenn er Befehle gab, beachtete
man sie nicht; alle anderen gingen zu Fuß, und unsere beiden Pferde wie auch einige andere dienten als Lasttiere. Beritten hätten wir sicherlich fliehen können, und es war nicht nötig, uns dies zu erklären.
    Drei Tage marschierten wir nach Nordosten, wobei wir Dörfer und größere Gehöfte mieden. Tags liefen wir und froren, nachts schliefen wir und froren. Niemand hinderte Jorgo und mich daran, miteinander zu reden, aber immer waren mehrere Männer nah genug, um jedes geflüsterte Wort mithören zu können. Die Waffen hatten sie uns abgenommen; daß sie darauf verzichteten, unsere Taschen und unser Gepäck zu durchwühlen, bedeutete lediglich, wie Jorgo sagte, daß sie es später gründlicher tun würden, denn »sie teilen alles, nehme ich an, und deshalb nehmen sie jetzt nichts, was sie im richtigen Lager dann wieder abgeben und noch einmal teilen müßten.«
    Am ersten Abend erfuhren wir mehr über Karl; er setzte sich zu uns an ein karges Feuer im Windschatten eines Felsens und tat, als erzähle er uns von sich; tatsächlich versuchte er, uns geschickt auszuhorchen, indem er berichtete und uns in Gespräche über das verwickelte, was er erzählt hatte. Glücklicherweise bemerkten wir es rechtzeitig und gaben nichts preis, was uns hätte gefährden können.
    Er hieß Karl Wingart und war vierzig Jahre alt - »wenn meine Mutter sich nicht geirrt hat. Sie war eine tugendhafte Frau, und zur Vollkommenheit fehlten ihr nur wenige Einzeltugenden. Wahrhaftigkeit, zum Beispiel, und … nein, eheliche Treue mag ich es nicht nennen, da sie nicht in diesem heiligen wiewohl öden Stand lebte. Sagen wir, ihr fehlte jede Neigung zur Keuschheit. Aber ihre Lügen waren wunderbar, und sie hat sich bemüht, mich und die anderen Geschwister - wir waren sieben - nicht allzu oft hungern zu lassen
und nicht mehr als zwei- oder dreimal am Tag zu schlagen.«
    Er hatte als Knecht eines freien Bauern gearbeitet, bis eines Tages Werber vorbeikamen, die Männer für einen großen Kriegszug suchten. Karl hatte für und gegen die Franzosen gekämpft, ebenso für und gegen den Kaiser und den Papst und diesen und jenen Fürsten.
    »Vor vier Jahren ward ich dessen überdrüssig, und ich habe mir gesagt, daß es anderes im Leben geben muß als Saufen und Huren und Gemetzel, und daß mich vielleicht der Herr längst gerufen hat, ich aber unter dem Klirren der Waffen und der Becher und beim Stöhnen der Verwundeten und der Weiber seine Stimme nicht hatte hören können. Deshalb habe ich die Waffen abgelegt und mir im Wald eine Einsiedelei gebaut. Nicht weit von hier, übrigens, aber weit genug von den Menschen.«
    Jorgo grinste; im schwachen Flackerlicht des Feuers sah er aus wie einer jener Dämonen, die phantasievolle Zeichner an den Seitenrand wunderlicher Abenteuergeschichten malen.
    »Weit genug, um sie nicht zu hören, aber nah genug, daß sie zu deiner Ernährung beitragen konnten, nehme ich an«, sagte er. »Die meisten heiligen Einsiedler, die ich gesehen habe, waren nämlich nur Haut und Knochen, und so ganz allein im Wald wird man nicht fett.«
    Karl klopfte sich auf den Bauch. »Ich bin nicht fett, aber ich wollte mich nicht schwächen.

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