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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Weiß ich denn, wozu ich noch gebraucht werde? Nein, ich weiß und wußte es nicht, und während ich in der Stille des Waldes auf die Stimme des Herrn wartete, habe ich dafür gesorgt, daß ich nicht für irdische Belange untauglich werde.«
    »Wie kommt es«, sagte ich, »daß du dich so gewählt ausdrücken kannst? Woher …«

    »So plappert der immer«, sagte einer der Bauern, die mit uns am Feuer saßen.
    »Woher?« Karl zog die Brauen zusammen. »Du meinst, als Hurensohn und schweifender Totschläger?«
    »Das hast du gesagt, nicht ich.«
    »Ich sage fast immer die Wahrheit.« Er grinste. »Hab ich von meiner wahrheitsliebenden Mutter. Als ich mit Frundsberg zog, hatte ich einen Fähnleinführer, einen abgefallenen Mönch … Nein, eigentlich nicht; er hat den Orden des heiligen Dominikus vor der Weihe verlassen. Halb abgefallen, sagen wir. Er hat geglaubt, unter meiner Roheit etwas anderes spüren zu können, und in den Marschpausen und im Lager hat er mir Lesen und Schreiben beigebracht. Reiner Eigennutz - er wollte sich mit irgendwem unterhalten. Nicht nur über den vorigen Kampf.«
    Er habe, sagte er, seitdem alles gelesen, was er zu lesen bekommen konnte, und jeden Tag die Erfinder des Buchdrucks gepriesen. Italienisch und Französisch, dazu ein paar Brokken Spanisch habe er in den Söldnerhaufen aufgeschnappt, aber vieles werde ja immer noch auf Latein geschrieben und gedruckt, und das habe er nie meistern können - wie denn auch?
    »Und wie wird man vom lesenden Landsknecht zum frommen Einsiedel?« sagte Jorgo.
    »Ich weiß nicht, wie es mit der Frömmigkeit steht.« Karl breitete die Arme aus; dabei glitt ihm das Vielfachfell - sein Allerleirauh - von den Schultern, und er zog es wieder fester. »Ich war des Mordens überdrüssig, und immer hatte ich die Priester bewundert, die so fest im Diesseits verwurzelt sind und dabei ins Jenseits zu blicken vorgeben. Ich dachte, wenn ich mich bemühe, werde ich vielleicht ein wenig von dem sehen können, was sie so prächtig verkünden. Und ich wußte
ja nicht, was ich tun sollte, nachdem ich den Waffen entsagt hatte. Also habe ich einen Teil des letzten Soldes und sogar ein wenig von der letzten Beute für Bücher ausgegeben, auch für heilige Bücher. Achtzehn deutsche Übersetzungen der Heiligen Schrift habe ich besessen, und alle waren auf unterschiedliche Art schlecht. Sie waren in verschiedenen Mundarten geschrieben, von denen ich einige besser, andere kaum verstand, und alle besaßen nichts, was wert gewesen wäre, die Jahre zu überdauern. Vor ungefähr zwei Jahren hörte ich dann, es gebe eine neue, bessere Übersetzung. Das Neue Testament des Doktor Martinus Luther. Ich habe es erworben und zu lesen begonnen, und dann habe ich die anderen verbrannt - es war Winter, kälter als jetzt; so hatten sie doch noch etwas Gutes für mich.«
    »Hat Gott denn zu dir gesprochen?« sagte ich.
    »Nein. Oder ich habe ihn nicht verstanden. Vielleicht hat er die Stimmen der Waldvögel benutzt, das Rauschen der Blätter, das Knirschen der Stämme; vielleicht auch die Kräuselwellen eines Bachs oder die Zeichen, die der Flug der Fledermäuse in die Dämmerung schreibt. Es mag auch sein, daß die Fußstapfen der Ungeheuer, die durch meine Träume trampeln, seine Zeichen sind. Bildzeichen, die ich nicht enträtseln will. Und nun haben wir genug geredet; schlaft, meine Brüder, und eure Träume seien frei von Unholden.«
    Am nächsten Abend war er müde und mürrisch und wollte nicht erzählen. Jorgo berichtete von Kämpfen in fernen Landen, aber auch das munterte Karl nicht auf. Erst als ich einen der Bauern fragte, warum sie uns wie Gefangene behandelten, statt uns als Bundesgenossen zu betrachten, tauchte er für Augenblicke aus seiner Müdigkeit auf.
    »Seid froh«, sagte er, »daß Junker Leopold ihnen gesagt
hat, sie sollten euch totschlagen. Sie haben sich daran gewöhnt, das Gegenteil von dem zu tun, was er will. Ohne ihn hätten sie euch vielleicht wirklich umgebracht.«
    »Hätten wir nicht«, sagte der Bauer, an den ich mich gewandt hatte. »Jedenfalls nicht, ohne sie gründlich zu plündern und dann zu beraten.«
    »Aber warum sind wir so gut wie gefangen? Glaubt ihr uns nicht, daß wir uns euch anschließen wollen?«
    Der Bauer zuckte mit den Schultern. »In einer Klemme sagt jeder, was ihm nützlich vorkommt.«
    »Ihr wißt schon zuviel«, sagte Karl. »Wie viele wir sind hier; daß wir zum Odenwald gehen, wo Meister Wendel Hipler über euch befinden soll mit

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