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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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nahmen unsere Mantelsäcke und die Satteltaschen; als ich mich nach meinen Waffen bückte, sagte der Wächter nur: »Ah, ah!«
    Am nächsten Morgen wechselte das Wetter. Es erschien
mir ziemlich, daß die trübe Zeit der Gefangenschaft mit Trübsal des Himmels begann. Es blieb kalt, aber es wurde feucht, Schneeregen und ein schneidender Westwind setzten ein. Bald waren die Wege und der Platz zwischen den Hütten tiefer Morast, und die kalte Nässe kroch uns unter die Kleider.
    Karl zählte vor dem Frühstück unser Geld, zusammen mehr als eintausendfünfhundert Gulden. Er pfiff durch die Zähne, als er den Haufen betrachtete, der aus geleerten Taschen und Beuteln auf den Tisch gelangt war, und dann pfiff er noch einmal, als er mit Zählen fertig war.
    »Nett von euch, daß ihr euch uns angeschlossen habt«, sagte er. »Wenn ihr euch jetzt noch ein bißchen Mühe gebt mit dem Schreiben und den Waffenübungen, habt ihr es beinahe verdient, daß wir euch den Winter über durchfüttern.« Er lachte dröhnend, strich die Münzen in einen großen Ledersack und stand auf. »Kommt, laßt uns das Fasten der Nacht brechen und mit dem Durchfüttern anfangen.«
    In dem Haus, in dem wir am Vorabend gerichtet worden waren, gab es eine große Küche mit gemauertem Herd, und draußen, auf der anderen Seite der Herdwand, hatte man einen Backofen gebaut. Offenbar wurde hier für alle - oder fast alle - Bewohner des Lagers gekocht.
    »Meister Wendel hat das so eingerichtet«, sagte Karl, als ich ihn danach fragte. »Alles ist knapp, und wenn es sorgsam geordnet wird, geht weniger verloren.«
    Es gab frisches Brot und eine dicke heiße Suppe, in der winzige Fleischbröckchen und Gemüsefetzen schwammen. Da die meisten schon gegessen hatten, fanden wir am Ratstisch des Hauptraums Platz, um uns zu setzen. Karl stellte den Ledersack zwischen seine Füße. Nachdem er den Holzlöffel abgeleckt und den Holznapf mit dem letzten Stück
Brot ausgewischt hatte, seufzte er und sagte: »Ach ja.« Dann stieß er einen gewaltigen Rülpser aus, nickte und sagte: »Abermals ach ja. Nun wollen wir den guten Hans suchen; er hat den Schlüssel.«
    »Welchen Schlüssel?« sagte ich.
    Jorgo schüttelte den Kopf und sah mich an, mit einer Mischung aus Mitleid und Tadel. »Den Schlüssel zur Kriegskasse, Junge.«
    »Zum Staatsschatz des irdischen Gottesreichs, das da kommen möge«, sagte Karl.
    Dengler hatte sich in einen langen Reisemantel gehüllt. Er stand neben dem Trog und tätschelte Jorgos Pferd; über seiner Schulter hing ein offener Beutel, aus dem er Hafer in den Trog geschüttet hatte. Ein anderer Mann leerte gerade einen Eimer Wasser in einen ausgehöhlten Steinblock, der als Tränke diente.
    »Ein schönes Tier«, sagte der Älteste. »Zu schade für das, was es hier wird tun müssen. Aber es gibt keine Hilfe.«
    »Was wird es tun müssen? Es war übrigens bis gestern meines«, sagte Jorgo.
    »So schnell vergehen die irdischen Besitzverhältnisse.« Karl schnalzte laut. »Aber es hat dem Herrn gefallen, all diese Dinge mit minderer Dauerhaftigkeit zu versehen.«
    »Es wird schleppen und ziehen müssen«, sagte Dengler, »und irgendwann werden wir es essen. Was ist in dem Beutel, Karl?«
    »Etwas mehr als eintausendfünfhundert Gulden. Die freundliche Gabe unserer neuen Mitstreiter.«
    »Dann wollen wir dafür sorgen, daß nichts Unrechtes damit geschieht. Nein, nein, ihr bleibt hier; es ist besser, wenn ihr nicht wißt, wo …« Er beendete den Satz mit einem flüchtigen Lächeln.

    Jorgo und ich blieben bei den Pferden stehen und sahen zu, wie die Tiere den Hafer vertilgten.
    »Kleiner Bruder«, sagte Jorgo nach längerem Schweigen, »wir werden eine Weile ohne warmes Bad und behagliches Reden auskommen müssen.«
    »Ich werde es lernen«, sagte ich.
    Jorgo nickte. »Lernen? Ja, dies und anderes.«

ACHT
    S oviel zu lernen, und das Leben so kurz. In diesem naßkalten Winter lernte ich, wie viele Gedanken, gute Worte, Verbindungen, Geld und Einfälle nötig sind, um auch nur dreihundert Männer und einige Frauen zu ernähren; wie schwierig mußte es da sein, einen ganzen Heerbann oder die für das Frühjahr erwarteten Bauernhaufen zu versorgen? Dies lernte ich von Karl, von Hans Dengler und von Wendel Hipler, der uns nur einmal kurz aufsuchte, aber immer wieder Anweisungen schickte. Und da er dem Rat nichts befehlen konnte, kamen diese als »Empfehlungen«.
    Vom Lager lernte ich, mit vielen Menschen auf wenig Raum zu leben, ohne unaufhörlich zu

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