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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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versuchte. Es war nicht einfach, und es wurde noch schwieriger dadurch, daß jeder einzelne Bauer seine Geschichte erzählen wollte - seine, die seiner Familie, der Eltern und Großeltern.
    Unter den Männern waren aufsässige, gewalttätige Kerle, daneben gab es bedrückte und schwermütige. Viele waren dumpf, doch vermutete ich, daß einige von ihnen mit Anleitung
und ein wenig Unterricht, vor allem aber mit etwas Zeit und weniger Schinderei ein lichteres Leben hätten führen können. Wenn es denn ihren Herren genehm gewesen wäre. Gute Männer, Familienväter waren unter ihnen, natürlich auch dritte, vierte oder fünfte Söhne, denen nur die Arbeit als Knecht bei der eigenen Familie, bei Nachbarn oder in den Stallungen und auf den Äckern der Herrschaft blieb. Einige waren kaum der Sprache mächtig, andere hatten so gründlich den Predigern gelauscht, daß sie nicht nur Luthers Neues Testament fast ganz auswendig konnte, sondern auch lange Schilderungen ihrer Mühsal in biblischen Wendungen vorzutragen vermochten.
    Nach und nach gewöhnte ich mich sogar an die zunächst fast unverständlichen Mundarten, und immer wieder staunte ich darüber, daß Männer aus Dörfern, die nur wenige Meilen voneinander entfernt waren, so unterschiedlich und oft auch für einander undurchdringlich reden konnten.
    Eine der ersten Geschichten, die ich hörte, betraf nicht so sehr das Verhältnis zwischen Bauern und Herrschaften, sondern zwischen Stadt und Land. Ein Bürger, erfuhr ich, habe einen Bauern, einen der Brüder des Berichtenden, im Streit erschlagen und dafür fünf Gulden Strafe zahlen sowie sechs Wochen im Kerker verbringen müssen. An einem der nächsten Markttage sei ein weiterer Bruder des Bauern dem inzwischen wieder freigelassenen Bürger begegnet und habe ihn erschlagen, so den Mord am Bruder zu rächen. Seine Strafe waren nicht fünf Gulden und sechs Wochen, sondern die Folter und der Strang. Dies, sagten andere, sei fast überall so.
    Da ich bald begann, in - mir nahezu ausnahmslos gerecht erscheinenden - Einzelklagen zu ertrinken, änderte ich nach einigen Tagen meine Vorgehensweise und versuchte zunächst,
einen Überblick über die herkömmlichen Lasten der Bauern zu gewinnen. Danach, sagte ich mir, werde es leichter sein, Gebrauch und Mißbrauch zu unterscheiden und die Vielzahl der Beschwernisse als ordentliche Beschwerden niederzuschreiben.
    Insgesamt, so fand ich heraus, blieb den Bauern weniger als die Hälfte dessen, was sie zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang jahrein jahraus in Schweiß und Mühsal erarbeiteten. Da gab es vor allem die Abgaben an die Grundherren, genannt Zinsen oder Gülten, zweimal im Jahr zu entrichten: Getreide, Wein, Erbsen, Bohnen, Käse, Gänse, Herbst- oder Fastnachtshühner, Eier, neuerdings sogar Anteile an Küchenkräutern und ähnlichem »Gefälle«. Früher einmal, sagten die klügeren unter den Bauern, seien die Steuern im Reich als Geldsummen festgesetzt, dann von den Grundherren in Ernte- und sonstige Erträge umgerechnet worden. Durch die fortschreitende Entwertung des Geldes wäre es für die Bauern billiger und gerechter, ihre Erzeugnisse auf den Märkten zu verkaufen und einen Teil des Ertrags in Münzen zu entrichten, die Herren bestünden jedoch auf naturalia . Diese seien inzwischen mehr wert als die ursprünglich festgesetzten Summen und würden von den Herren teilweise weiterverkauft, mit gutem Gewinn. Auch in schlechten Jahren seien die Abgaben unvermindert zu entrichten, wobei die Herren dann auch das Saatgetreide nähmen, so daß im nächsten Jahr gar nichts mehr bleibe. Dann kämen Söldner, »Blutzapfer«, und am Schluß falle der ganze Hof samt Land und Gut an den Herren.
    Sodann gab es den Zehnten für die Kirche, und zwar als Großer Zehnt auf Körner und Wein, als Kleiner Zehnt auch auf Kraut, Rüben, Erbsen, Obst zu entrichten, dazu der Blutzehnt auf Tiere.

    Wollte man aus Wasserläufen, die der Herrschaft gehörten, etwa seine Felder bewässern, mußte man Wasserzins zahlen, ebenso für die Nutzung des Waldes; einige sagten, sie hätten diese Abgaben auch dann zu entrichten, wenn sie Wasser und Wald gar nicht nutzten. Fischen sei kaum noch irgendwo gestattet; man müsse den früher billigen Fisch heute teuer bei den Herren und den Klöstern kaufen.
    Es gab noch mehr Herrenrechte, von denen ich mir nicht einmal hatte träumen lassen. Wenn die Herren jagen wollten, hatten die Bauern Zäune niederzulegen und mußten es hinnehmen, daß bei der

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