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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Schmieden und fast alle mit Holzbearbeitung auskannten, konnten sie selbst herstellen. Sie hatten ja keine fürstlichen Arsenale zu Verfügung.
    Die meisten, auch die Räte, waren anfangs gegen Jorgos Vorschlag gewesen.
    »Damit kann man doch keinen mehr erschrecken«, hatte Dengler gesagt.
    »Wir wollen ja auch nicht erschrecken, sondern töten. Ein Armbrustbolzen durchschlägt jede Rüstung so gut wie eine Kugel, Pfeile dringen durch die weniger gut geschützten Stellen und sind unangenehm für die Pferde der Herrschaften. In der Zeit, in der man eine Arkebuse lädt und feuert, können wir zwei Bolzen oder zehn Pfeile abschießen. Also?«
    Also stimmten sie Jorgo zu, vor allem, als Karl sich auf seine Seite schlug. An Feuerwaffen herrschte nämlich Mangel. Es gab einige schwere alte Hakenbüchsen und drei neuere leichte Arkebusen - besser als nichts, jedoch nicht genug, um aus den Schützen eine Gruppe zu bilden.
    »Pulver und Blei? Fast nichts«, hatte Karl gesagt. »Aber das holen wir uns aus den Burgen der Herren. Mit etwas Glück finden wir auch ein paar Feldschlangen oder schwerere Geschütze. Aber wir müssen zuerst in die Burgen gelangen, und dazu brauchen wir Leitern, Rammböcke, Schwerter - und Bogen und Armbrüste.«
    Es waren fünfundsiebzig Erlesene: fünf Rotten zu je vierzehn Mann, jeweils geführt von einem Rottmeister. Und Karl und Jorgo. Sie hatten die Rotten an einem eisigen Spätwintertag in den Wald geführt - üben und jagen. Als sie vier Tage später zurückkehrten, kam auch der Frühling. Der Schnee schmolz, die Wege wurden zu Schlamm und Morast,
und die Boten, die die Verbindung zwischen den Bauernlagern aufrechterhielten, kamen nur mühsam voran.
    Aber sie kamen; am 23. März hielt ich ein gedrucktes Blatt in den Händen, an dessen Vorbereitung ich wie zahlreiche andere Schreiber beteiligt gewesen war. Ich wußte nicht und habe auch nie erfahren, wer die gedruckte Fassung schließlich erarbeitet hatte. Es waren zwölf Artikel, die die wesentlichen Forderungen der Bauern enthielten, und abermals war ich verblüfft ob der bescheidenen Rechtschaffenheit der Wünsche.
    Andererseits bargen einige der Artikel Folgerungen, die erst offensichtlich wurden, wenn man über das nachdachte, was sich aus den schlichten Sätzen ergab. Gleich der erste Artikel, der beinahe harmlos wirkte, enthielt gewissermaßen genug Schwarzpulver, um sämtliche befestigten Klöster des Reichs zu sprengen: Man wolle hinfort die Pfarrer selbst wählen und auch entlassen, wenn sie den Boden des Evangeliums verließen. Damit wäre die Kirche, die nicht nur einen wehrhaften Staat in Italien unterhielt, sondern ein Drittel des Reichs besaß und beherrschte, mit einem Schlag überflüssig und entmachtet. Diese Pfarrer, hieß es weiter, wolle man gern durch den Kornzehnten ernähren.
    Die übrigen Artikel waren dagegen in meinen Augen gerecht und billig. Christus habe uns alle erlöst, als Erlöste seien wir gleich, also könne und dürfe es keine Leibeigenschaft geben. Eine gewählte und von Gott gesetzte Herrschaft wolle man gern achten, man strebe keinesfalls Gesetzlosigkeit an, aber es müsse alle Willkür enden. Wild und Fische in fließenden Gewässern sollten wieder allen gehören, ebenso alle Wälder, die nicht gekauft seien. Alle Herrendienste, die in den vergangenen Jahrzehnten über das den Vorfahren
bekannte Maß hinaus verhängt worden seien, sollten abgeschafft werden, und die fortbestehenden Dienste seien so nach Jahreszeit und Arbeitsaufwand einzurichten, daß den Herrschaften Genüge, den Bauern jedoch kein Schaden getan werde. Abgaben sollten sich nach dem Vermögen der Bauern richten und nicht zu deren Untergang führen. Willkürliches Erlassen neuer Gesetze und Strafen habe zu unterbleiben. Beim Tod eines Bauern erbe hinfort dessen Familie, nicht die Herrschaft. Und: »Was hiervon gegen die Heilige Schrift verstößt, soll nicht gelten.«
    Die zwei folgenden Monate erscheinen mir auch in der Rückschau als der gewaltige Strudel, der alles fortriß und kaum Zeit zum Atmen ließ. Ich weiß nicht, ob Meister Wendel oder einer der anderen Anführer jemals eine Art Überblick behielt, glaube es aber nicht. Denn wenn jemand den Überblick behalten hätte, wäre er wohl auch imstande gewesen, für irgendeinen Zusammenhalt zu sorgen. Vielleicht aber auch nicht; vielleicht waren die Bauernhaufen gar nicht zu einem Heer zusammenzufassen, und das mag auch an den gräßlichen Predigern gelegen haben.
    Die Herren dachten

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