Die Rache des Kaisers
Jagd ihre Felder verwüstet wurden und, nicht selten, sogar die Gebäude; außerdem mußten die Jagdgesellschaften untergebracht und versorgt werden. Für all das gab es keinerlei Gegenleistung, und es wurde auch keine Rücksicht auf Jahreszeiten genommen - der Bauer hatte auch dann als Treiber zu dienen, wenn er eigentlich die Ernte einbringen sollte.
Unentgeltlich hatten sie für die Herren und die Klöster zu pflügen, zu säen, zu ernten, mußten Mist fahren und Waldarbeit erledigen, spinnen, weben, brauen, mahlen, Handund Spanndienste leisten und die Ernten und Herden der Herrschaften hegen und bewachen. Und jene, die noch der Leibeigenschaft unterlagen, konnten ohne Erlaubnis weder heiraten noch fortziehen; wenn sie starben, fiel ein großer Teil ihres Besitzes an die Herrschaft.
Zu alledem kamen auch noch Steuern auf Käufe und Verkäufe, eine Landessteuer zur Tilgung öffentlicher Schulden, auf kirchlichem Land eine »Weihsteuer« zur Deckung der Ausgaben beim feierlichen Amtsantritt eines neuen Kirchenfürsten, und schließlich hatte jeder Erwachsene monatlich einen halben Gulden »Wehrgeld« zu zahlen, obgleich die
Herren eigentlich bereits durch die sonstigen Abgaben zu Schutz und Schirm verpflichtet waren.
»Und wovon lebt ihr?« sagte ich irgendwann einigermaßen fassungslos.
»Nennst du das leben?« knurrte einer; die anderen bemühten sich zu lachen, aber es gelang ihnen nicht recht.
Ein besonderer Klagepunkt war die Ersetzung gewählter Amtmänner, Richter und Räte - auch in den Städten - durch Vögte oder Schultheißen des jeweiligen Herrn, so daß man, wenn man dem Unrecht zu trotzen wagte, sein Recht bei jenen suchen mußte, die nicht dem Gesetz, sondern dem Herrn dienten.
Als ich mit den Aufzeichnungen so weit gediehen war, sah ich mich - entsetzt und kundiger als zuvor - endlich in der Lage, die vielfältigen Forderungen der Bauern zu erfragen, zu sichten, zu ordnen und in verständliche Sätze zu kleiden. Natürlich bin ich nach all der Zeit nicht sicher, daß mein Gedächtnis die Reihenfolge und den Wortlaut bewahrt hat - sei’s drum. Hier die Gesuche:
Beendigung der Willkür der Herrschaften und ihrer Amtleute; alles Strittige ist vor ordentlichen Gerichten zu verhandeln;
zuständig sei jeweils das nächste Gericht; es soll den Herren nicht mehr möglich sein, nach Gutdünken ein ferneres Gericht zu wählen, zu dem der Bauer nur reisen kann, wenn er tagelang seine Feldarbeit ruhen läßt und deshalb oft auf einen Schiedsspruch verzichtet;
wer sich etwas zuschulden kommen läßt, soll nach Fug und Recht bestraft werden, aber die Herren sollen sich nicht länger an dessen Familie, Frauen und Kindern vergreifen dürfen;
wenn einem Bauern etwas gestohlen und der Dieb gefaßt wird, soll das Diebesgut dem Bestohlenen zurückgegeben werden, nicht dem Herrn;
wenn ein Leibeigener stirbt, sollen Amtleute der Herrschaft nicht mehr Vieh, das beste Bett oder Kleider einziehen, sondern dies soll der Witwe bleiben;
die Herrschaft soll nicht länger bestimmen können, wen einer heiraten darf und wen nicht; ebenso soll der Brauch enden, daß der Herr beim Tod einer ihm nicht leibeigenen Ehefrau eines Bauern ein Drittel des Guts einzieht;
abzuschaffen sei der Zwang, daß bei Blutgerichten alle Erwachsenen bis zum Ende anwesend sein müssen und in dieser Zeit nicht arbeiten können; jede Gemeinde soll einen Vertreter wählen dürfen;
Amtleute sollen wieder von der Gemeinde gewählt werden;
Kauf- und andere Urkunden sollen von jedem Amtsschreiber ausgefertigt werden können, nicht nur vom Landesschreiber, der weit fort residiert und zu dem zu reisen teuer ist;
nach Recht und Gebrauch bestehende Dienstpflichten sollen nicht länger auf fremde Herrschaften übertragen werden können;
Neuregelung des Zugangs zu Gewässern und Wäldern und deren Nutzung;
Herren sollen bei Jagden nicht Äcker und Scheunen der Bauern verwüsten und hinfort dergleichen Schäden ersetzen;
wenn ein Kind, das der Bauer bereits mit einer Aussteuer versehen hat, vor der Heirat stirbt, soll die Aussteuer nicht länger an die Herrschaft fallen, sondern zurück an die Familie; ebenso soll der Besitz eines unehelichen Kindes bei
dessen Tod nicht dem Herrn verfallen, sondern bei der Familie bleiben;
Bauern haften nicht mehr für Schulden der Herrschaft;
Bauern sollen nicht mehr gezwungen werden, ihr Getreide in einer von der Herrschaft bestimmten Mühle mahlen zu lassen, sondern sie sollen jede Mühle wählen
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