Die Rache des Kaisers
Vorbereitung des Aufstands.
Der letzte schließlich war Jörg Metzler, ein Weinbauer und Wirt, in dessen Wirtshaus in Ballenberg bei Krautheim sich die unzufriedenen Bauern trafen. Auch Hipler und Weigand machten dort auf ihren verschwörerischen Reisen Halt.
Boten von Metzler und Hipler forderten uns Ende März auf, entweder sofort zu einem anderen Tal im Odenwald zu kommen, dem Schüpfgrund, oder spätestens am 4. April beim Zisterzienserkloster Schönthal zu einer Versammlung und Beratung einzutreffen. Dengler und die anderen Räte wollten einen geordneten Aufbruch; auch Karl sprach sich dafür aus.
»Der Schüpfgrund?« sagte er. »Wenn wir hinterher nach Schönthal wollen, wäre das ein Umweg; laßt uns lieber gleich zum Kloster pilgern.«
»Um dort zu beten?«
Er grinste mich an. »Wir werden Schießpulvergebete sprechen, als gute Pilger, und Klingengesänge anstimmen.«
Jorgo und ich hielten auf dem Weg - wie die anderen gingen wir zu Fuß - mehrere eigene Versammlungen und Beratungen ab, zu zweit.
»Ich will verschwinden, im Land versickern«, sagte ich bei der ersten Gelegenheit, als wir unbelauscht waren. »Sobald es möglich ist.«
»Ich will sehen, wie die Erlesenen kämpfen«, sagte Jorgo; er klang mürrisch und erwartungsvoll zugleich. »Meine Arbeit,
verstehst du? Außerdem …« Er sah sich um. Niemand schien uns besonders zu beachten, aber wir marschierten in einem immer weiter anwachsenden Haufen bewaffneter Bauern. »Außerdem kommen wir hier nicht heil raus.«
»Du hast wahrscheinlich recht. Wann denn? Was meinst du?«
Er lachte leise. »Wie jeder Krieger weiß, ist keine Unordnung größer als das Gewühl einer wohlgeordneten Schlacht.«
»Erst die Erlesenen kämpfen sehen, dann verschwinden?«
»Mal sehen, wie es geht.«
Alle, die unterwegs zum Zug stießen, brachten neue Gerüchte und Behauptungen mit. Die meisten waren widersprüchlich oder gar phantastisch; einige wurden später jedoch bestätigt. Hipler, Metzler und die anderen hatten offenbar den 2. April als den Tag festgelegt, an dem der Aufstand beginnen sollte. Und Hiplers Reise als Große Spinne war erfolgreich gewesen: Seine alte Heimat, das Land der Hohenloher, gehörte zu den Gebieten, in denen erste, noch fast unblutige Siege errungen wurden. Dort gelang es den Aufständischen, die Grafen zum Eid auf die Zwölf Artikel zu zwingen, und beim Schwur mußten die Fürsten die Handschuhe ausziehen, während die Bauern ihre anbehielten.
Im Schüpfgrund wurde Jörg Metzler zum obersten Hauptmann gewählt - wie sich zeigen sollte, war dies nur vorläufig. Sehr bald begriff man, daß mehr als Wille zur Auflehnung nötig war, um einen Krieg zu führen, und zwar vor allem Kriegserfahrung, die Metzler nicht hatte. Aus dem Schüpfgrund brachten die Männer noch etwas mit - einen Namen: Sie nannten sich das »evangelische Heer«. Anders als Metzlers Hauptmannsrang blieb der Name erhalten, zumindest
als einer von mehreren. Nachdem weitere Bauernhaufen dazugestoßen waren, nannten sie sich auch »lichter Haufen« oder »heller Haufen«, und dabei sollten alle an das Licht Christi und die Helligkeit der Erlösung denken. Viele taten dies tatsächlich.
Was sie auch mitbrachten aus dem Schüpfgrund, war der erste Entwurf für eine Ordnung des Heeres mit Ämtern, Rängen und Pflichten. Darin waren auch »Nachrichter« vorgesehen: Henker.
»Muß so sein«, sagte Jorgo, als ich mich darüber verwunderte. »Das kann alles nur gelingen, wenn es Ordnung und Zucht gibt. Wie willst du Bauern zum Mitmachen bringen, wenn du sie zuerst ausplünderst? Allein um Plünderungen zu verhindern, ist so etwas nötig. Nicht zu reden von anderen Gründen.«
Die Leute, Bauern wie Stadtbewohner, wurden nicht nur durch gutes Zureden zum »Anschluß in brüderlicher Liebe« bewogen, »dem Worte Gottes und der Lehre Pauli Beistand und Folge zu tun und das Übel zu strafen und auszurotten unter Geistlichen und Weltlichen, Edeln und Unedeln.« Auf dem Marsch unserer Odenwälder Gruppe habe ich derlei nicht selbst gesehen, aber von anderen Haufen war zu hören, daß man auch Zwang angewandt habe - schließt euch an, oder wir brennen euch alles nieder.
Besonders gut darin, hieß es, sei Rohrbach gewesen, den sie selten Jakob und meistens »Jäcklein« nannten. Von ihm wird bald noch mehr zu reden sein.
Als wir am Nachmittag des 4. April das Kloster Schönthal erreichten, hatten Metzler und seine Leute es bereits besetzt; offenbar wollte Metzler es vorübergehend
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