Die Rache des Kaisers
Oberen und der Graf mit seinen Männern die Stadt verteidigen wollten, und daß die Frau uns zu einer kleinen Pforte führen würde.
Die beiden Reiter kehrten zu Geyer zurück. Wir warteten, und trotz aller angenommenen inneren Entferntheit fieberte ich. Bei uns tat sich zunächst nichts - kein Befehl, kein Handzeichen. Dafür setzte sich plötzlich der Haupthaufen mit Gebrüll und Trommelschlag in Bewegung: Die Bauern rannten zur Stadt und begannen den Sturm auf die Tore.
Erst jetzt gab Florian Geyer das Zeichen: ein erhobener
Arm, der jäh sackte, als wolle er etwas zu Boden schmettern. Der Schwarze Haufen rückte vor, beinahe gemächlich, und die Erlesenen folgten.
Die Mauern waren gut besetzt, auch dort, wo wir die Stadt erreichten. Allerdings schienen die Schützen vor allem bei den Toren zu warten; wir wurden lediglich mit ein paar schlecht geschossenen Pfeilen und einem Steinhagel empfangen. Unmittelbar unterhalb der Mauer teilte Geyer die Truppen auf. Etwa die Hälfte der Erlesenen und vielleicht ein Drittel der Schwarzen sollten Karl und der Frau in die Stadt folgen, die anderen mit Geyer die Burg angreifen, die ein wenig außerhalb auf einem Berg lag. Sie hatten Sturmleitern und Seile mit Haken bei sich.
Ich war hin- und hergerissen, wußte nicht, welcher Gruppe ich mich anschließen sollte. Jorgo nahm mir die Entscheidung ab.
»Bleib neben mir. Dein Freund ist auch dabei.«
Offenbar hatte er Haspacher gesehen. Ich kam nicht dazu, ihn zu fragen; einer nach dem anderen liefen wir durch die schmale Pforte, die die Frau uns geöffnet hatte.
Drinnen schlug der Kampflärm wie eine Flutwelle über uns zusammen. Überall in der Stadt wurde geschrien, geschossen, gefochten. Ich hörte das Dröhnen einer Kanone, Todesschreie, Anfeuerungsrufe; neben mir prasselten Steine von der Mauer herunter, wo man bemerkt hatte, daß wir eingedrungen waren. Ein paar gut gerüstete Männer, offenbar Krieger des Grafen, und ein Schwall eher schlecht als recht bewaffneter Bürger kamen uns entgegen. Karl brüllte etwas, die Erlesenen hoben die Armbrüste und feuerten eine Bolzensalve ab. Ich biß die Zähne zusammen, als ich die ersten Bürger und Kämpfer fallen sah; dann schossen in Häusern Verborgene mit Arkebusen auf uns, und es fielen auch einige
der Erlesenen. Die Männer des Schwarzen Haufens bildeten kleine Gruppen, sprengten Haustüren und drangen in die Gebäude ein, aus denen geschossen worden war.
Vom Rest des Kampfs weiß ich nicht mehr viel. Pulverdampf, Schwertergeklirr, Blut und Schreie. Ich glaube, ich habe einen Bürger getötet, der mit einem Bratspieß auf mich eindrang und keinesfalls aufgeben wollte. Vielleicht habe ich das aber auch nur geträumt. Irgendwann hörte ich jemanden stöhnen, hinter mir, und als ich mich umschaute, lehnte Jorgo an einem Haus, hob die Hand zum Kopf und rutschte langsam an der Wand zu Boden. Ich beugte mich über ihn und sah, daß ihn eine Kugel gestreift haben mußte. Die Stirn war aufgerissen, Blut rann ihm über das Gesicht, aber er atmete noch.
Einige der Erlesenen waren in der Nähe; ich rief zwei von ihnen herbei, und gemeinsam schleppten wir Jorgo zur Pforte und hinaus auf die Wiese vor der Mauer. Dort lagen schon etliche Verwundete und auch ein paar Tote; es schien eine Art vorläufiger Verbandplatz zu werden. Ein Feldscher, ein oder zwei Bader und einige Bauernknaben kümmerten sich um die Verletzten und legten Verbände an, so gut es ging. Es hielt sich auch einer der Prediger dort auf; als er sich uns näherte, winkte ich ab.
»Laßt nur; ich kümmere mich um ihn«, sagte ich den Erlesenen.
Einer schlug mir auf die Schulter; beide liefen schnell zurück zur Pforte.
Ich bat einen der Jungen um Wasser und Tuch. Als er mir einen halbvollen Eimer und Reste eines zerrissenen Hemds oder Schlafrocks gebracht hatte, säuberte ich vorsichtig Jorgos Wunde, wusch ihm das Gesicht und wickelte die Fetzen um den Schädel. Ich ging zu den Toten. Einer lag auf seinem
Mantelsack. Ich beschloß, daß er diesen nicht mehr brauche, nahm ihn mit und schob ihn Jorgo unter den Hinterkopf.
Der Kampflärm in der Stadt schien ein wenig abzuflauen. Plötzlich hörte ich Gejohle, und als ich aufblickte, sah ich zwei Bauernfahnen auf der Burg wehen. Der Schwarze Haufen und die Erlesenen hatten sie eingenommen.
Später hörte ich, dies sei der Augenblick gewesen, da der Widerstand in der Stadt zusammenbrach. Die stürmenden Bauern hatten bereits einige Stadttore genommen. Diejenigen
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