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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Ablaßhändler die Truhe nehmen wäre, finde ich, beinahe eine gottgefällige Tat. Ich weiß nicht, ob es gelingt, aber ich habe eine Vorstellung, wie es vielleicht gehen könnte.«
    Jorgo zwinkerte. »Ich dachte schon, du willst lieber hungern.«
    Karl musterte mich; sein Gesichtsausdruck schien mir zwischen Unglaube und Gier zu schwanken. »Was hast du dir denn ausgedacht?«
    »Folgendes.«
     
    Wir mußten uns auf eine Verteilung der Aufgaben einigen und vorübergehend trennen. Karl übernahm als der Stärkste die Vorbereitungen im Steinbruch, die er allein bewältigen konnte. Jorgo und ich würden ein Stück zurückreiten und eine Stelle suchen, von der aus der Weg möglichst weit zu überblicken war. Danach wollten wir versuchen, bei Waldbauern oder Fischern am Ufer der Donau mit unserem letzten Geld die nötigen Werkzeuge zu beschaffen.
    Einer der Gründe, aus denen wir so weit nach Süden geritten waren, hieß »Sicherheit«. An der oberen Donau gingen die Herrschaftsgebiete großer Klöster, der Hohenzollern und des Truchseß Waldburg ineinander über. Hier hatten die Bauern aufbegehrt, wie anderswo, und hier waren sie noch gründlicher und blutiger niedergeschlagen worden. Wir mußten nicht mit plündernden Horden rechnen, allenfalls mit streifenden Wachtruppen.

    Wir hatten allerdings auch nicht mit der Gnadenlosigkeit der Strafe für gerechtfertigten Aufruhr gerechnet. Alle Waldbauernhöfe, die wir aufsuchten, waren niedergebrannt, alle Fischerdörfer an diesem Donauabschnitt entvölkert. Überall lagen halbverweste Leichen, einzeln oder in Haufen. Die Suche nach den benötigten Werkzeugen verfolgte mich noch lange bis in meine Träume, und daß wir niemanden fanden, dem wir dafür etwas hätten bezahlen können, machte alles nicht angenehmer.
    Der Plan, den ich ausgeheckt hatte, war befriedigend einfach, gewissermaßen von schlichter Größe, und bis kurz vor dem Schluß bot er genug Möglichkeiten, ihn bei widrigen Umständen gefahrlos aufzugeben.
    Aber ich stellte mir drei Fragen, die ich den Gefährten gegenüber beflissen verschwieg und auf die ich keine Antwort fand. Woher kam die Selbstverständlichkeit, mit der wir uns vogelfrei aufschwangen? Woher nahm ich die Dreistigkeit, den beiden Erfahreneren Anweisungen zu erteilen? Und wieso nahmen sie diese nicht nur an, sondern zeigten sogar eine gewisse Erleichterung darüber, daß ich den Anführer spielte?
    Am Nachmittag des zweiten Tages hatten wir alle Vorbereitungen abgeschlossen und konnten nur noch warten. Und hoffen. Abends ritt Jorgo zu der Stelle, die einen Überblick über den Weg bot; als er zurückkam, grinste er uns an.
    »Morgen vormittag«, sagte er. »Sie lagern an dem kleinen Waldsee. Jedenfalls konnte ich ein Feuer sehen, und wer außer ihnen soll da lagern?«
     
    Der Mönch und der Schreiber saßen auf dem Bock. Drei Arkebusiere gingen voran, die anderen folgten dem zweispännigen Karren. Unter einem Baum vor dem Zugang zum
Steinbruch lagen ein paar morsche Äste auf dem Weg, und der Boden war bedeckt von abgebrochenen Zweigen und altem Laub. Der Schreiber, der die Zügel hielt, brachte die Pferde zum Stehen.
    Einer der vorderen Arkebusiere sicherte, die beiden anderen legten die Waffen auf den Boden und begannen, die Äste beiseite zu schleppen. Plötzlich stieß einer einen Schrei aus, halb Erstaunen, halb Jubel; er bückte sich nach etwas, das zwischen Laub und Zweigen lag, und hielt eine Silbermünze hoch.
    »Da sind noch mehr«, rief er.
    Der dritte Mann, der bis dahin gesichert hatte, ließ die Waffe fallen und ging zu den beiden, die auf dem Boden herumkrochen und Münzen suchten. Die drei Männer der Nachhut lehnten ihre Waffen an den Karren und liefen ebenfalls nach vorn, um sich an der Suche zu beteiligen.
    Karl hatte sich im Steinbruch auf eine Felskante gelegt, von der aus alles gut zu sehen war. Ein paar Schritte neben ihm lag ein größerer Brocken, den nur ein verkeilter Stein daran hinderte, in die Tiefe zu stürzen. An diesem Brocken hatten wir sorgsam verknotete Stricke und eine Kette befestigt.
    Jorgo und ich waren im Gesträuch neben dem Weg verborgen. Wir konnten nicht sehen, wie Karl oben den verkeilten Stein mit einer Hacke herausriß. Aber wir sahen und genossen die Folgen.
    Der Brocken kippte von der Kante in den Steinbruch und zog Stricke und Kette mit hinab. Wie eine wütende Schlange schnellte der mittlere Teil des Tauwerks aus dem Laub, das es bedeckt hatte, spannte sich mehrere Mannshöhen in der Luft

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