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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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gültig wird, wenn ihm Reue und Beichte folgen; er ist keine silberne Abkürzung.
    Aber was wußte ich sonst, damals? Heute, all die Jahre später, weiß ich mehr, und es hat meine Fragen ebenso vermehrt wie meine Abneigungen. Daß der Mensch sich durch gute Werke rechtfertige, gewissermaßen Schätze im Jenseits sammele, erscheint mir immer noch menschlicher als die Behauptung, das Paradies werde dem Glaubenden allein durch Gottes Gnade geöffnet. Wie ich hörte, haben einige besonders Evangelische die Offenbarung erlitten, daß durch Gottes unauslotbaren Ratschluß eigentlich alle Menschen auf ewig verdammt seien. Fast möchte man meinen, daß dies die Verfechter der seltsamen Lehre erfreut - daß sie, anders gesagt, nur zähneknirschend einzuräumen bereit
sind, Gott nicht daran hindern zu können, daß er einzelne erlöst.
    Der Ablaß dagegen … Wenn er ohne Beichte nicht gültig ist, ist er überflüssig; erklärte der Papst ihn für ohne Beichte gültig, zwänge er sozusagen Gott, einen Ruchlosen ins Paradies aufzunehmen, nur weil dieser ein bedrucktes Papier gekauft hat. Kann die Kirche Gott dazu zwingen? Kann die Reformation Gott daran hindern, gute Taten zu berücksichtigen? Ist nicht beides gleichermaßen ungeheuerlich? Und wenn sola scriptura gilt, nichts als die Heilige Schrift - warum finde ich darin weder Beichte und Ablaß noch Erlösung allein durch Gnade? Aber ich finde in den Evangelien auch nichts von der Dreifaltigkeit.
    Jorgo riß mich mit einer Frage aus meinen Gedanken. »Was kostet eigentlich so ein Ablaß?«
    »Hast du vor, deine Seele freizukaufen?« Karl grunzte leise. »Ich weiß nicht, ob du eine hast, und wenn, ob es sich lohnt.«
    »Ah nein; ich versuche mir nur vorzustellen, was in dieser Truhe sein könnte.«
    Karl kratzte sich den Kopf. »Ich weiß es nicht genau«, sagte er. »Es gibt ja mehrere Formen von Ablaß. Und die Kosten so eines Ablaßbriefs ändern sich, je nachdem, was man getan hat und wieviel man ausgeben kann.«
    »Weißt du es ein bißchen genauer?«
    »Pfff.« Karl blähte die Wangen und ließ die Luft durch die Lippen zischen. »Also, ich glaube, es sind vier Arten. Die erste Gnade ist Ablaß für die Lebenden, die zweite der Beichtbrief, die dritte Teilnahme an allen Gütern der Kirche, die vierte die Befreiung aus dem Fegefeuer. Für das Volk geht das alles durcheinander, und ich bin, uh, war ja nur ein dummer Einsiedler, kein Priester, also weiß ich’s nicht so genau.«

    »Was kostet so ein Wisch?«
    »Das ist unterschiedlich, sag ich doch. Für die Reichen kostet es mehr als für die Armen. Ich glaube, Fürsten zahlen zwanzig oder fünfundzwanzig Gulden, Äbte und Prälaten zehn, einfache Adlige sechs, Bürger und Kaufleute drei, Handwerker einen, und für den Rest, solche wie uns, geht’s bis auf einen Viertelgulden runter. Und im Beichtbrief geht’s ja um einzelne Sünden. Mord kostet, glaube ich, sechs Gulden, Meineid und Kirchenraub acht, so ungefähr.«
    »Also ist Kirchenraub schlimmer als Mord?« sagte ich.
    »Offenbar.« Dann lachte er plötzlich. »Und wißt ihr, was besonders teuer ist?«
    Jorgo hob die Brauen. »Was denn? Den Papst verfluchen? Luther loben?«
    »Nein. Zwölf Gulden mußt du bezahlen, wenn du Sodomie begangen hast, Unzucht mit Tieren.«
    »Ei.« Jorgo grinste breit. »Welcher Schäfer kann sich das denn leisten? Die beichten lieber.«
    »Jedenfalls kannst du davon ausgehen, daß die Truhe gut geladen ist.«
    Ich dachte über den Ablaßhändler und seine Begleitung nach. Die Fugger hatten dem Papst Geld geliehen, wie dem Kaiser und vielen anderen. Der Papst ließ Ablässe verkaufen, um den Bau seiner neuen großen Kirche in Rom bezahlen zu können, außerdem sollte Geld für den nächsten Krieg gegen die Türken gesammelt werden, und es waren Schulden zu tilgen. Die Fugger verfügten über Niederlassungen und Banken in den meisten größeren Städten; es lag für den Papst also nah, ihnen das Sammeln und Verrechnen der Ablaßgelder zu übertragen. Und den Fuggern war es lieb, dies zu tun, denn abgesehen von einem gewissen Anteil, den sie zweifellos für diese Arbeit forderten, konnten sie gleich einen weiteren
gewissen Anteil zur Tilgung der päpstlichen Schulden einbehalten. Deshalb begleitete ein Schreiber der Fugger jeden Ablaßpriester, und wegen der wirren Zeiten gab es bewaffnetes Geleit. Der Zug würde uns einholen, wenn wir hier im Steinbruch rasteten. Man konnte natürlich auch umkehren.
    »Hört zu«, sagte ich. »Einem

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