Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
drüben.«
    »Wie fromm sind sie?« sagte ich.
    Jorgo grinste mich von der Seite an. »Vielleicht solltest du fragen: Wie sind sie fromm? Papistisch? Reformiert?«
    Kassem lächelte mild. »Dem Reinen ist alles rein«, sagte er, »und dem Frommen sollte alles fromm sein. Es ist aber nicht so - nicht in diesem eurem christlichen Land.«
    »Ist es denn bei euch anders, Herr?« Karl beugte sich vor und langte nach dem Weinkrug, um seinen Becher aufzufüllen. »Nenn mir ein Land, in dem die verschiedenen Frommen und die unterschiedlich Unfrommen friedlich nebeneinander leben. Nenn es mir, Herr, und morgen breche ich dorthin auf.«
    Kassem nickte. »Laß mich wissen, wenn du es findest; ich folge dir dann sofort.«
    Avram trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. »Und jetzt? Du, Karl, Kaiser und Einsiedler …«
    »Und Schrat«, sagte Jorgo.
    »Du willst uns also begleiten?«
    »Wenn es euch gefällt.«

    »Da diese beiden« - Kassem blickte Jorgo und mich an - »gut von dir sprechen, gefällt es uns. In drei Tagen bricht ein Zug von Händlern gen Süden auf. Sie wollen nach Bozen und weiter; es weiß aber niemand, wie die Dinge jetzt in Tirol sind.«
    »Habt ihr deswegen so lange gewartet?«
    »Nicht nur. Wir haben auch auf euch gewartet, aber da es keine Nachricht von euch gab, hätten wir vielleicht etwas hier hinterlassen und wären aufgebrochen. Es wollte nur niemand durchs wüste Getümmel ziehen.«
    »Der Stand der Unruhe«, sagte Jorgo mit einer Grimasse, »ähnelt der Lage der Undinge.«
    »Ich habe dich nicht vermißt.« Avram stülpte die Lippen vor. »Überhaupt nicht, vor allem dann nicht, wenn du jetzt noch vom Unstand der Dinge und der Ablage der Ruhe anfängst.«
    »Mein Vater, ehe wir aufbrechen, muß ich noch in die Stadt, um dies und das zu erforschen.«
    Kassem nickte. »Ich nehme an, es hat mit deinem wirklichen Vater und den verwaschenen Fetzen zu tun, die du gefunden hast.«
    »So ist es. Weißt du jemanden, an den ich mich wenden kann?«
    »Ich habe bei den Fuggern mit einem Anton Kornberger verhandelt.« Kassem runzelte die Stirn. »Er wird nicht der richtige Mann für dich sein, aber wahrscheinlich kann er dir sagen, zu wem du gehen solltest.«
     
    Avram begleitete mich in die Stadt. »Die wissen ja nicht, daß ich Jude bin«, sagte er mit einem schiefen Lächeln, »sonst dürfte ich die Stadt nicht betreten. Willst du außer deinen Bankherren etwas sehen?«

    Ich zögerte und dachte an all das, was ich über Augsburg und seine Kirchen, die Zunfthäuser und anderes gehört hatte. Schließlich sagte ich: »Wenn man mehr Zeit hätte … Laß uns einen Blick auf die berühmten Armenhäuser Jakobs des Reichen werfen. Wenn man sie von außen sehen kann, ohne weiteren Aufwand.«
    »Tagsüber ja. Nachts sind sie unzugänglich - eine Stadt in der Stadt mit eigener Mauer und verschlossenem Tor.«
    Jakob Fuggers Stiftungshäuser sollten bedürftige Frauen, arme Tagelöhner, Handwerker und sonstige Bewohner Augsburgs aufnehmen, die römischen Glaubens sowie unverschuldet in Not geraten waren. Sie hatten eine Jahresmiete von einem Gulden zu zahlen und dreimal täglich für Jakob Fugger und seine Familie zu beten. Die Vorstellung, daß ein Reicher einen Teil des Vermögens, das er durch die Arbeit anderer aufgehäuft hat, diesen zurückgeben könnte, ist hienieden so ungeheuerlich, daß sie mir durchaus die Gedanken eine Weile zugleich zu lähmen wie auch zu erhellen vermag. An jenem Tag beschäftigten mich jedoch die anderen Gedanken so sehr, daß ich kaum mehr denn eineinhalb Blicke auf die Stiftungshäuser werfen und nichts von ihrem Anblick im Gedächtnis bewahren konnte.
    Avram brachte mich zu einem der zahlreichen Häuser, in denen die verzweigten Geschäfte der Fugger abgewickelt werden; ohne seine oder eines anderen Hilfe hätte ich es kaum gefunden, denn es lag in einem verwinkelten Hinterhof und wies keine Kennzeichen auf.
    »Ich warte dort drüben«, sagte er; mit dem Hinterkopf deutete er auf den Durchgang zum Hof. Gegenüber lag ein Brauhaus. »Wenn es schnell geht, werde ich die Braukünste prüfen; wenn es länger dauert, kann ich mich ja als Lehrling bewerben.«

    Ich schlug ihm auf die Schulter. »Gib acht, daß du so früh am Tag nicht den Faden der weiteren Stunden verlierst. Sobald ich fertig bin, werde ich dich in den Gossen der Stadt suchen.«
    Ein Laufbursche führte mich durch lange knarrende Gänge und über Treppen, wo es kaum Licht oder Luft, aber dafür an jeder Biegung und

Weitere Kostenlose Bücher