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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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mit jener Anmut zu beglücken, welche die Natur seinem Wesen schon in jungen Jahren verweigert hatte. Als seine Gemahlin einundzwanzig wurde, machte er ihr ein überaus üppiges Geburtstagsgeschenk, indem er starb und sie als Herrin von Betrieb und Vermögen zurückließ.
    Aber all das erfuhr ich natürlich erst später. Ich sah eine schlanke, kräftige Frau mit honigfarbenem Haar, die wie zum Gebet am Rand des Großen Kanals kniete und wundersam fluchte. Vor ihr lagen dicke, mit Wachstuch umwickelte Pakken und ein umgekippter Handkarren. Neben ihr, im öligen Wasser, schaukelte ein Frachtkahn. Ein alter Mann stand
am Heckruder, den Kopf im Nacken; in seinem geöffneten Mund nistete ein Sonnenstrahl. Der Schopf eines prustenden, um sich schlagenden Mannes tauchte eben vor dem Bug aus dem Wasser auf.
    Mit ein paar schnellen Schritten war ich an der Mauerkante, kniete, beugte mich vor und erwischte die Haare, dann eine Hand des Zappelnden. Während ich ihn aus dem Wasser zog, hörte ich die Frau hinter mir aufstehen.
    »Laß den Trottel ertrinken; im Wasser ist er besser aufgehoben als im Leben«, sagte sie.
    Eigentlich lauschte ich eher der Stimme als dem, was sie sagte; das mußte ich mir ohnehin zusammenreimen, da ich nur einen Teil verstand und den Rest richtig zu erraten hoffte. Es war eine erregende Stimme, dabei aber kühl und straff wie hörbare Seide. Ich trocknete die Hände an meinen Beinkleidern ab und drehte mich um.
    Sie kaute in einem zweifelhaften Lächeln auf der Unterlippe. Für die Maßgaben klassischer Bildhauer wäre die Nase ein wenig zu lang gewesen, die Lippen ein wenig zu voll, die Wangenknochen ein wenig zu hoch; aber mir erschien das Gesicht vollkommen, denn die kleinen Unregelmäßigkeiten bewahrten es davor, in klassischer Langeweile zu schmachten. Die dichten Brauen waren nicht ganz so braun wie die Augen, in denen grüne und goldene Splitter glitzerten.
    »Mein Italienisch genügt nicht, um ein Gespräch zu retten«, sagte ich, »dann wenigstens mit Händen den Mann.« Jedenfalls wollte ich das sagen, und es muß wohl halbwegs verständlich gewesen sein, denn sie grinste plötzlich und sagte: »Italienisch kann man lernen, jemanden ertrinken lassen geht ganz von allein.«
    »Vielleicht fehlt mir eine gute Lehrerin.« Ich bückte mich,
richtete den Karren auf und begann, die heruntergefallenen Packen darauf zu schichten. »Was ist das? Kostbar?«
    »Papier - nicht kostbar, aber zu teuer, um es in den Kanal zu werfen.«
    Sie bückte sich ebenfalls und hob und stapelte. Bei den letzten beiden Packen, die wir gleichzeitig auf den Karren legten, berührten meine linke und ihre rechte Hand einander. Einen Moment hatte ich das Gefühl, meine Haare stünden zu Berge; ihr schien es ebenso zu gehen.
    »Uh«, sagte ich.
    »Ah«, sagte sie.
    Dann lachten wir beide. Ich glaube, wir standen da wie zwei Überrumpelte - Narren des glücklichen Zufalls.
    »Willst du wirklich Italienisch lernen?«
    Ich bemühte mich um ein halbwegs ernstes Gesicht. »Magst du mich lehren?«

FÜNFZEHN
    S o begann, was ich als Fehler bezeichnet habe, und ein Feh ler war es zweifellos. Es war aber auch die beste Zeit meines Lebens. Ich half ihr, den Karren zu schieben, ohne dabei auf den Weg zu achten. Bis wir das Ziel - ihre Druckerei - erreichten, hatte sie mir »lehren« in allen Zeitformen vorgesagt, und ich hatte brav wiederholt. Es half uns, das, was wir eigentlich wollten, bis zu einem geeigneten Zeitpunkt aufzuschieben. Der nasse Helfer und der alte Steuermann blieben am Kanal zurück, und wenn ich mich nicht sehr irre, habe ich sie lachen hören.
    In den folgenden Monaten stellte ich fest, daß sie oft und gern lachten - wie Laura. Und ich entdeckte viel Neues oder Vergessenes: dank Laura. Freundliche Gesellschaft und gute Gespräche machen beinahe jedes Essen erträglich, und in angenehmer Begleitung mag das traurigste Kaff zur Erheiterung dienen. Die Kanalrattenstadt Venedig, bis dahin eine Sammlung verschlossener Gesichter und versperrter Türen, wurde für mich von einer häßlichen Greisin zur spröden Matrone und schließlich zur zauberhaften Kurtisane. Einmal habe ich, an einem frühen Morgen - noch, nicht schon auf den Beinen -, von Schönheit ergriffen geweint, als Laura meine Hand hielt und mir aus einem winzigen wilden Garten den Sonnenaufgang über dem Türmchen des Seezolls zeigte. Und an einem grauen Herbstabend, als ich eben meine schlimmen Fehler begriffen
hatte, war die sturmgepeitschte Lagune

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