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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Alte wirklich nicht mehr wußte, gab ich ihm den zweiten Gulden, und wir gingen zurück durch die Stadt zum Gasthaus im Nordwesten. Unterwegs warf ich einen Blick in das Schreiben. Die Schrift bedurfte gründlichen Studiums, fand ich, und selbst dann wäre es fraglich, ob man sie entziffern könnte. Avram schielte über meine Schulter und seufzte.
    »Die Spuren einer besoffenen Krähe, die in einem Tintentöpfchen gebadet hat«, sagte er.
    Immerhin sagte mir die Anschrift, daß ich mit einem Teil meiner Überlegungen wohl nicht allzu sehr geirrt hatte. Der Brief war nicht an Franz Masinger gerichtet, auch nicht an Franziskus Messing, sondern an Francesco Mazzini, und ich nahm mir vor, in Venedig nach ihm oder nach seinen Spuren zu suchen.

VIERZEHN
    M it vielen Unterbrechungen wegen unsicherer Straßen erreichten wir Venedig erst Mitte September. Dort trennten sich unsere Wege, und ich beging zwei Fehler.
    Wie er versprochen hatte, gab Kassem seine beiden Sklaven frei. Sieben Jahre waren sie mit ihm durch Europa gereist, hatten mit ihm gefroren, geschwitzt, geblutet und gelacht. Und mein Leben gerettet. Natürlich waren sie längst keine Sklaven mehr; Sklaven wären zu Beginn der Reise geflohen. Sagen wir: Kassem entband seine Freunde Jorgo und Avram von der Pflicht, ihm als Gefährten zu helfen und als einstige Sklaven zu dienen.
    Es war keine große Zeremonie, aber angemessen. In einem der tausend von den Venezianern schlicht Casa, »Haus«, genannten Palazzi hatte Kassem eine Zimmerflucht gemietet. Tatsächlich war es das ganze Haus, denn außer uns wohnte niemand darin. Am dritten Abend nach unserem Eintreffen ließ Kassem aus einer nahen Garküche eine Vielzahl köstlicher Gerichte bringen. Wir tafelten zu viert. Karl wollte später zu uns stoßen; er trieb sich in Hafenkaschemmen herum, wo er Preise und Möglichkeiten der Überfahrt nach Istrien erkundete.
    »Er ist mir nicht unlieb«, sagte Kassem. »Aber es ist nicht schlecht, daß er nun nicht bei uns ist. Dies hier geht nur uns vier an.«
    Er trank mit Wasser verdünnten Traubensaft aus einem in
Murano gefertigten Pokal. Avram, Jorgo und ich brauchten den Weisungen des Propheten Mohammed nicht zu folgen und zogen Wein vor. Ich war, wie Jorgo und Avram, ein wenig überrascht, als Kassem plötzlich aufstand und den Pokal hob.
    »In drei Tagen«, sagte er, »geht ein Schiff nach Ragusa. Von dort werde ich über Land reisen und hoffe, in wenigen Monaten die Augen am Anblick Suleimans des Prächtigen und die Füße im Wasser des Bosporus zu laben.« Er machte mit der Linken eine abwehrende Bewegung. »Nein, sagt nichts - noch nicht. Und bleibt sitzen, bis ich gesagt habe, was zu sagen ist.«
    Neben ihm stand ein kleinerer Tisch, wie man ihn zum Anrichten von Speisen oder Abstellen von Schüsseln verwendet. Darauf lag etwas, verborgen unter einem Seidentuch. Kassem zog das Tuch nun weg und stellte nacheinander zwei schwere Lederbeutel auf den Tisch.
    »Avram - vor fünfzehn Jahren habe ich dich in Damaskus gekauft. Jorgo - ebenfalls fast fünfzehn Jahre sind vergangen, seit du auf dem Markt der Kriegsgefangenen in Tunis in meinen Besitz gelangt bist. Seitdem wart ihr mir gute Gefährten, treue Diener, verläßliche Freunde. Ihr seid frei. Die gemeinsame Reise ist zu Ende, Gefährten; der Diener bedarf ich nicht mehr. Die Freunde werde ich vermissen, und sollten wir einander je wieder begegnen, hoffe ich, daß die Freundschaft unvermindert sein wird. Jeder dieser Beutel enthält einige Münzen und eine Anweisung über eintausend venezianische Dukaten. Nehmt sie zur Befestigung eurer neuen Wege. Dies ist ein karges Zeichen meines Danks und meiner Zuneigung, aber um diese angemessen auszudrücken, wären nicht einmal die Schätze des Dogenpalasts genug.«
    Er deutete eine Verneigung an; dann wandte er sich an
mich. »Du, mein zufälliger Sohn, bist nun erwachsen und brauchst den zweiten Vater nicht mehr. Da dein wirklicher Vater dir Geld hinterlassen hat, brauchst du auch keine Zechinen. Was, außer der fortdauernden Zuneigung, soll ich dir zum Abschied geben?«
    Er musterte mich ein paar Augenblicke lang; um seinen Mund kroch ein halbes Lächeln. Vom Ringfinger der rechten Hand zog er einen Goldring mit grünem Stein. Er hielt ihn mit der Linken hoch, legte ihn auf die Handfläche der Rechten und sagte: »Diesen Ring habe ich von meinem Vater bekommen. Wem sollte ich ihn also geben, wenn nicht einem Sohn? Es gibt keine Zauberringe; er wird dich nicht gegen Dolche

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