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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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    Nichts davon war auch nur im geringsten für die Verteidigung gegen den gewaltigen Angriff hilfreich. Ferdinand bemühte sich weiter in den einzelnen Landesteilen und im Reich um Hilfe; Wien blieb den Statthaltern und Räten der Niederösterreichischen Regierung überlassen. Graf Niklas Salm wurde am 2. August zum Obersten Feldhauptmann bestellt. Andere Männer, an deren Namen und Rang ich mich nicht erinnern kann, sollten überall Nahrung und Munition beschaffen; erst im August - Spötter sagten angesichts der Tatsache, daß Suleymans Heer nicht mehr weit entfernt war, »schon im August« - wurden alle Länder angewiesen, den angekauften oder zu liefernden Proviant von Zoll, Maut und sonstigen Abgaben zu befreien. Es war zwar kaum etwas unterwegs, und Geld für die vorgesehenen Beschaffungen gab es nicht, aber immerhin konnten die zuständigen Kammern zeigen, daß sie die hohe Kunst beherrschten, für etwas Nichtvorhandenes große Papiermengen vortrefflich und einwandfrei zu beschriften.
    Wie wir in Wien hörten - es gab jederzeit mehr Gerüchte als Nahrung, doch zum Glück auch mehr Munition als Wahrheit -, hatte man »bereits« am 18. August im Reich mit der Anwerbung von Truppen begonnen, wenn auch unter Vorbehalt. Sobald sie marschbereit waren, zogen sie die Donau hinab, und der Bayernherzog brachte sogar Geschütze mit. Pfalzgraf Philipp war mit schweren Reitern und einigen Fußtruppen schon in Österreich; sie sollten schneller marschieren, um die viel zu schwache Besatzung Wiens zu verstärken, bis weiterer Entsatz käme.

    Ringsum streiften die Akindschi, inzwischen »Renner und Brenner« genannt, durchs Land; sie sengten, mordeten und verschleppten alle zum Verkauf als Sklaven tauglichen Bewohner. Manchmal wurden sie dabei gestört; vor allem, wenn nach Wien zurückgerufene Truppen sich den Weg freikämpften oder Geschütze aus aufgegebenen Festungen mit entsprechender Bedeckung zur Hauptstadt geschafft wurden.
    Eine dieser Einheiten waren die Spanier. Die beiden Fähnlein - denn mehr war nach den Meutereien und Kämpfen an der Krainer Grenze nicht verblieben - hatten ein paar Tage vor uns Wien erreicht, und es hieß, sie hätten den türkischen Streifern schwere Verluste zugefügt. Sie lagen ein paar hundert Schritte östlich von uns, und ich konnte nicht nach Zamora suchen, da wir mit der Verstärkung der Mauern beziehungsweise ihrer gezielten Schwächung beschäftigt waren.
    Wir hatten nämlich einerseits Mauern zu erhöhen, Tore besser zu befestigen und Gräben zu ziehen; andererseits mußten wir an vielen Stellen Schießscharten in die Mauern brechen, damit die Geschütze überhaupt feuern konnten. Pulver, Blei, Steinkugeln, Kartätschen waren hin und her zu schleppen, Kanonen - vor allem die schweren Geschütze waren widerspenstig - mußten an die vorgesehenen Stellen gebracht werden.
    Anfang September hatte es eine allgemeine Musterung der Wehrfähigen und ihre Einteilung in vier Fähnlein nach den Vierteln der Stadt gegeben. Bis zum 21. September waren von diesen vier Fähnlein nur noch kleine Teile übrig; die anderen hatten sich verdrückt. Ferner sollten auf Kosten der Stadt eintausend Landsknechte geworben werden; es waren schließlich tatsächlich bloß fünfhundert. Insgesamt, hieß
es, seien etwa zwölftausend »Kämpfer« verfügbar, gegen ein Belagerungsheer von dreihunderttausend Mann; sie würden nicht einmal ausreichen, um die Mauern vollständig zu bemannen. Und man redete von »Kämpfern«, um nicht vollends in Verzweiflung zu geraten, denn nicht einmal die Hälfte von ihnen waren richtige Soldaten.
    Immer noch strömten in Scharen die Leute aus der Umgebung herbei, beladen mit ihrer armseligen Habe; die meisten trieben ein paar Stück Vieh vor sich her. Die Wiener Bürger ihrerseits drängten zu den Toren hinaus, um ihre Familien und ihr Gut in Sicherheit zu bringen. Flüchtlinge aus Ungarn verbreiteten Nachrichten über die Grausamkeiten des herannahenden Feindes, und nachts sahen wir von den Mauern aus ferne Brände. Was wir nicht zu sehen bekamen, war die erflehte und verheißene Hilfe aus den Ländern des Reichs. Pfalzgraf Philipp, hieß es, sei mit wenig mehr als hundert schweren Reitern in Klosterneuburg angekommen, die Hauptmacht der Reichstruppen habe noch nicht einmal Krems erreicht.
    Am 23. September kam es zum ersten größeren Gefecht. Graf Hans von Hardegg war mit etwa fünfhundert schweren Reitern durch das Niklastor hinausgezogen, um Akindschi zu vertreiben, die

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