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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Dächer und Türme, schoben sie auf Hügel, brachen uns beinahe die Rücken und zerbrachen Flaschenzüge und Lafetten. Hinter dem Chor einer nahen Kirche schütteten wir Erde bis zur Höhe der Mauer auf und bauten so eine »Katze«; darauf kamen eine Halbschlange und ein Falkonett. Unter das Dach eines Klosters bei einem der Tore stellten wir zwei Halbschlangen.
    Insgesamt verfügten wir - das heißt, die ganze Besatzung der Stadt - über nicht mehr als zweiundsiebzig Geschütze verschiedenster Größe; Munition war allerdings genügend vorhanden.
    Bei diesen Arbeiten mußten wir oft weitere Wege gehen; so gelangte ich in die Nähe der Spanier und sah, von fern, nach all den Jahren der Suche, den Moloch mit den wulstigen Lippen, dem wohl nach einer Verwundung teilweise gelähmten Gesicht und der Eisenhand. Alonso Zamora. Ich will gar nicht versuchen, meine Gefühle zu beschreiben, die Hitze, die in mir aufstieg aus einem Organ, für das die Ärzte noch keinen Namen haben. Aber natürlich war mir klar, daß ich ihn nicht zwischen siebenhundert anderen Spaniern
angreifen konnte. Und auch nicht, solange seine Kraft und Tücke und Erfahrung dazu beitragen mochte, alle, also auch mich, vor den Türken zu schützen.
    Während ich dies erwog, suchte ein Teil meiner Gedanken bereits nach Möglichkeiten, Zamora zu stellen und zu töten und ihm vorher noch den Grund dafür zu sagen. Ein anderer Teil befaßte sich mit der beginnenden Belagerung, die zweifellos bald zur Beschießung und am Ende zum Sturm werden würde. Und ich faßte einen Entschluß.
    Sollte es zum Ärgsten kommen, sollte die Stadt erstürmt werden und fallen, wollte ich, ehe der Speer eines sipahi oder der Säbel eines Janitscharen mich auslöschte, Zamoras Leben beenden.
    Aber noch war es nicht so weit; noch war nicht einmal Abend an diesem Tag vor Beginn des Beschusses. Und ehe die Sonne sank, wurde mir aus dem Füllhorn des Zufalls noch ein Geschenk zuteil.
    Auf dem Rückweg zum Quartier mußten wir die Straße überqueren, die durch eines der südlichen Tore in die Stadt führte. Es war halb geöffnet; neben der Straße drängte sich einiges Volk, und wir konnten zunächst nicht weitergehen.
    »Was ist los?« fragte ich einen der Leute vor mir.
    »Überläufer.«
    Es dauerte noch ein paar Augenblicke, ehe die ersten durchs Tor kamen, schwere Reiter mit müden Pferden und staubigem Harnisch. Sie gehörten wohl zu denen des Grafen Hardegg, die immer wieder versuchten, die Osmanen zu stören.
    Hinter ihnen kamen sieben Männer in leichter Rüstung auf nahezu ungepanzerten Pferden; ich sah lediglich ein paar Stück ledernen Brustschutzes. Dann sah ich nichts mehr außer zwei Gesichtern.

    Zur Gruppe der sieben Überläufer gehörten Harry Symonds und Jérôme de Castelbajac.
    Wahrscheinlich habe ich ob der Überraschung eine Bewegung gemacht. Symonds schaute zu mir herüber. Und erkannte mich. Er runzelte die Stirn; dann grinste er und hob die Hand zu einem spöttischen Gruß.
    Abends redeten Avram, Karl und ich lange. In dieser Nacht schlief ich kaum. Ich war allerdings nicht der einzige, denn in dieser Nacht begann die Beschießung Wiens.

DREIUNDZWANZIG
    S ieht nett aus.« Karl beugte sich vor und spuckte über die Brüstung. Die Flüssigkeit verteilte sich im Wind und benetzte eine schuttbedeckte Fläche. »Da, wo die Spucke gelandet ist, stehen bald bestimmt fünf Mann nebeneinander.«
    »Meinst du, wenn du sie triffst, rufen sie ›bitte mehr‹? Oder schreien sie nach Beschirmung?« Avram grinste; dann zog er den Kopf ein, als die nächste Kugel nicht weit über uns in die Stadt sauste.
    Es war ein dunstiger Vormittag. Gestern hatte man noch in der Ferne die brennenden Weindörfer ahnen können; heute sahen wir nur das Lager der Osmanen. Aber das war mehr als beeindruckend.
    Eigentlich waren es etliche Lager: Zeltstädte, jedes durch eine Umwallung geschützt. Jemand hatte behauptet, es müßten an die fünfundzwanzigtausend Zelte sein; ich versuchte nicht einmal nachzuzählen. Angeblich hatten Gefangene - immer wieder kam es zu Geplänkel, bei dem beide Seiten Männer verloren - die Ankunft des Oberbefehlshabers, des Seraskers Ibrahim Pascha bestätigt, und angeblich war auch der Sultan selbst inzwischen eingetroffen.
    Die Zeltlager bildeten einen kaum zu überblickenden Gürtel. Die Masse befand sich östlich des Wienflusses, auf der anderen Seite reichten die Lager bis an die Vorberge des Wienerwalds. Und überall hatten sie ihre Feldgeschütze

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