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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sich bei und um St. Marx eingenistet hatten. Die leichten Reiter wichen aus und wandten sich zur Flucht. Hardeggs Trupp verfolgte sie und ritt in die Vorhut der sipahi des osmanischen Hauptheers hinein. Die überraschten schweren Reiter flohen unter Verlusten zurück in die Stadt. Von denen, die in Gefangenschaft gerieten, wurden einige vom Sultan mit Geschenken versehen und am 25. September mit der Aufforderung zur Übergabe wieder in die Stadt geschickt. Die Besatzung sollte freien Abzug erhalten. Verweigere sie aber die Kapitulation, würde Suleyman mit all seiner
Macht angreifen, Wien erobern und dann selbst das Kind im Mutterleib nicht verschonen.
    Am 26. September hatte fast das ganze Osmanenheer seinen Aufmarsch vor den Mauern vollzogen. Der Kriegsrat, der seine Antwort auf Suleymans Botschaft durch zwei freigelassene türkische Gefangene übersandte, wies die Aufforderung zur Übergabe ab.
    Das rasche Anrücken der Türken unterband die weitere Zufuhr von Lebensmitteln; der vorhandene Proviant reichte für knapp einen Monat. Es gab auch kein Geld, um den fälligen Sold auszuzahlen. Einige Söldner plünderten Weinkeller, und es kam zu blutigen Übergriffen, die erst endeten, als ein Galgen errichtet wurde, an dem man ein halbes Dutzend der übelsten Leute henkte.
    Irgendwann in diesen Tagen trafen die ersten Reichstruppen unter Pfalzgraf Philipp ein, etwa hundert schwere Reiter und an die fünftausend Mann Fußvolk. Zugleich wurden fliehende Bürger von den Akindschi eingeholt und zum Teil niedergemacht, zum Teil verschleppt.
    Alles in allem betrug jetzt die Stärke der Besatzung wenig mehr als siebzehntausend Mann. Dazu kam noch die Bürgerschaft; von den viereinhalbtausend gemusterten Wehrfähigen waren kaum hundert geblieben.
     
    Avram hatte es geschafft, in einem der überfüllten Massenquartiere für Flüchtlinge eine ansehnliche ungarische Witwe aufzutun. Als ich ihn fragte, wie er so etwas immer wieder anstelle, obwohl ihm der Mauerdienst eigentlich keine Zeit ließ, hob er die Brauen.
    »Jakko, mein Herr und Freund«, sagte er, »Witwen haben selten überzogene Erwartungen. Schau mich an; was siehst du?«

    »Einen schlanken, grauhaarigen Mann, der bald vierzig wird. Er hat müde Augen und verdreckte Kleider.«
    »Ja, aber seine Hände sind rein, und da er schlank ist und weniger frißt als ein gewisser Schrat« - Karl, der neben uns stand, grunzte leise -, »kann er von seinem Proviant etwas abgeben. Und das tut er.«
    »Ich werde das auch versuchen.« Karl grinste breit. »Gibt’s da viele hungrige Witwen?«
    Ich wies mit dem Daumen hinter mich, zur Mauer, vor der das Heer des Sultans mit dem Errichten eines ordentlichen Lagers beschäftigt war. »Bald noch mehr. Du solltest dich sputen, Kaiserschrat, sonst ist die Zeit verstrichen, ohne daß du hättest abnehmen können.«
    »Wenn das so ist, wozu dann sputen und abnehmen?«
    »Du mußt entscheiden, ob die Witwen noch etwas von dir haben sollen oder erst die Totengräber«, sagte Avram.
    Ich hatte keine Zeit für Witwen, denn endlich hatte ich Zamora gefunden.
    Der für meinen Mauerabschnitt zuständige Mann, ein Fähnrich namens Seydel, teilte mich einer Gruppe zu, die bei der Verlegung und Aufstellung der schweren Büchsen helfen sollte. Dort, wo Schießscharten geschaffen worden waren, mußten Erdaufschüttungen erfolgen, auf die die Geschütze zu wuchten waren. Andere hatten wir mit Hilfe von Seilen, Flaschenzügen und Pferden auf Häuser zu bringen, die wiederum vorher gestützt werden mußten.
    In diesen Tagen lernte ich einiges über die Einteilung und Verwendung der »Büchsen«. Die schweren Belagerungsoder Festungsgeschütze verschossen fast ausschließlich Steinkugeln. Es gab einige sehr große für Kugeln mit einem Gewicht von zweihundert Pfund. Danach kamen die sogenannten Scharfmetzen oder Mauerbrecher; sie verschossen
hundert Pfund. Dann waren da Basilisken mit fünfundsiebzig, Nachtigallen mit fünfzig und Singerinnen mit fünfundzwanzig Pfund Geschoßgewicht. Es ist mir nie gelungen herauszufinden, wer derartige Ungeheuer mit Namen wie Nachtigall versehen hat.
    Daneben gab es natürlich die leichteren, beweglichen Feldgeschütze: Notschlangen mit sechzehn Pfund, Schlangen mit acht Pfund, Falkonen oder Halbschlangen mit vier Pfund und Falkonette mit zwei Pfund schweren Kugeln. Kleine Geschütze, besonders die Falkonette, verschossen Blei. Außerdem gab es andere leichte Geschütze wie Haubitzen und Wallbüchsen.
    Wir hoben sie auf

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