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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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verteilt, um uns mit Lärm und Kugeln zu beglücken.

    Dreihundert Kanonen seien es, wurde gesagt, und nur dem scheußlichen Wetter hätten wir es zu verdanken, daß die schweren Belagerungsgeschütze nicht mitgebracht worden seien. Mir erschien das als schwacher Trost. Die mauerbrechenden Ungeheuer mochten in Belgrad oder wo auch immer geblieben sein - vielleicht steckten sie ja auch auf halber Strekke im Schlamm -, doch reichten die leichten Geschütze völlig aus, Steine und Blei in die Stadt zu spucken, Häuser zu beschädigen, Menschen zu töten und allen den Schlaf zu rauben.
    »Habt ihr schon gehört, was heute früh drüben los war?« Avram deutete nach Osten; irgendwo dort mußte die Donau sein.
    »Wir haben uns nicht so hemmungslos herumgetrieben wie du«, sagte Karl. »Wir waren hier. Ist da noch ein bißchen mehr geschossen worden?«
    »Die türkische Flußflotte ist angekommen.«
    »Ei«, sagte ich halblaut. »Wie groß?«
    Er hob die Schultern. »Angeblich an die vierhundert Schiffe. Heute früh haben unsere drüben an die dreitausend Mann rausgeschickt. Reiter, Fußtruppen, die Hälfte der Spanier und ein leichtes Geschütz. Sollten die Brücken schützen. Haben aber so lange gebraucht, daß die Türken vor ihnen da waren. Die haben die Brücken und alles, was an Schiffen da lag, in Brand gesteckt.«
    »Sind unsere denn wieder heil zurückgekommen?« sagte ich.
    »Sorgst du dich um Zamora?«
    »Unter anderem. Den will ich mir doch nicht von den Türken wegschnappen lassen.«
    Später hörten wir, immerhin sei es gelungen, einen Teil der Brücken abzutragen und aus den Bruchstücken einen neuen Wall beim Salztor zu machen.

    »Hat nicht gestern irgendwer gesagt, unsere eigenen Schiffe müßten heute kommen?« sagte Karl.
    »Ja, und Nachschub aus dem Reich, und am besten der Kaiser selbst. Nichts von alledem. Ich fürchte, wir sind hier ziemlich allein.« Avram bleckte die Zähne. »Bleibt wieder mal alles an uns hängen, wie?«
    Karl lachte. »Du Retter des Abendlands! Weiß einer, wie viele das da wirklich sind? Dreihunderttausend, hab ich gehört; kann das sein?«
    Avram wackelte mit dem Kopf. »Hab ich auch gehört. Dreihundert Geschütze, zwanzigtausend Kamele, so was.«
    Die nächste Kugel, diesmal weiter rechts. Sie schien in größerer Entfernung abgefeuert worden zu sein, kroch beinahe durch die Luft und fiel wie erschöpft knapp innerhalb der Mauer. Gepolter und Schmerzensschreie waren zu hören.
    »Höchstens hunderttausend«, sagte ich. »Die Kamele müssen gekämmt, die Pferde gestriegelt, die Kanonen gefüttert und die Fürsten gewaschen werden. Hunderttausend Kämpfer, schätze ich; der Rest sind Troß und Knechte und Diener.«
    »Ist ja beruhigend.« Karl klatschte langsam in die Hände. »Nur fünfmal so viele wie wir, und die Knechte und Diener, meinst du, werden nicht kämpfen? Wenn wir bei denen ins Lager eindringen?«
    »Hast du das vor?« sagte Avram. »Reichlich unternehmungslustig, Mann! Willst du dich nicht einfach in deine Schratkluft wickeln, rauslaufen und sie erschrecken?«
    Ich schaute nach der Sonne, einem wabernden Klecks hoch oben im Dunst. »Wir sind bald dran. Wachablösung am Tor, hat Seydel angeordnet.«
    »Zamora«, sagte Karl. »Symonds. Castelbajac.«

    Avram seufzte leise. »Den ganzen Vormittag haben wir erfolgreich darum herumgeredet; mußt du das jetzt erwähnen?«
    »Muß ich. Sind wir uns wirklich einig? Und gibt es keine andere Möglichkeit? Nur warten?«
    »Warten, so schwer es mir fällt«, sagte ich. »Symonds und Castelbajac werden verhört, schätze ich; danach wird man sie entweder hinrichten oder, wahrscheinlicher, einsetzen. Zamora ist bei den übrigen Spaniern. Die drei sind für uns im Augenblick unerreichbar.«
    »Und selbst wenn …« Avram schnitt eine Grimasse. »Vielleicht hängt die Verteidigung Wiens an einem der drei. Am Ende rettet einer von ihnen das Abendland. Wollen wir es wirklich untergehen lassen, nur wegen einer Rache?«
    »Wir lassen sie uns alle retten«, sagte ich. »Wenn’s geht, beobachten wir sie dabei. Und danach bringen wir sie zum Dank um. Los, Freunde, zum Tor!«
     
    In den nächsten Tagen kamen wir jedoch nicht dazu, uns retten zu lassen oder jemanden zu beobachten. Als wir unsere Plätze am Tor einnehmen wollten, wies Fähnrich Seydel uns einem Trupp zu, der mit Piken, Degen und Messern ausgerüstet wurde.
    »Ihr auch. Und dann rüber zum Kärntnertor. Mir nach!«
    Am Kärntnertor standen die Spanier … Aber

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